Macht die Zerstörung strafbar!
Mittwoch, 07. Oktober. Aktivist:innen von XR Polen sind seit Montag in Berlin an Aktionen beteiligt und werden gegen 12:55 nach ihrem zweiten Aufenthalt (dieses Mal über Nacht) aus der Gefangenensammelstelle (GeSa) entlassen. In ihren Einzelzellen hatten die neun Aktivist:innen inklusive einer aus der Schweiz Dienstag Nacht Lieder gesungen um sich gegenseitig zu unterstützen.
"Anita von Extinction Rebellion Polska and Anna sangen Folk-Songs, die das ganze Gefängnis hören konnte. Es war eine wunderschöne Erfahrung, dieses polnische Beerdigungs-Volkslied zu hören: Leb wohl, freudvolle Welt. Immer wenn Anita sang, sang Anna aus der Schweiz zurück. Das hielt uns Neun, die wir in Einzelzellen zwischen diesen Klängen aus dem Herzen lagen, zusammen. Trotz der Wände, den Polizist:innen, der primitiven Machtstruktur - all das konnte den Gesang nicht aufhalten."
Um 15:30 starten zwei angemeldete Demonstrationszüge, jeweils vor der CDU und SPD Parteizentrale. Unter dem Motto "Like the seas, we rise" tragen hunderte Aktivist:innen blaue Flaggen und Banner. Auf dem Weg zum Brandenburger Tor wird am Potsdamer Platz gegen 16:30 Uhr eine Zwischenstation und Kundgebung eingelegt. Um 16:45 Uhr trifft der Zug von der CDU Parteizentrale kommend ein. Danach geht es schweigend entlang des Holocaust Denkmals zu einer Kundgebung am Brandenburger Tor, wo gegen 18:00 etwa 300 Aktivist:innen eintreffen. Unter den Sprecher:innen: der Postwachstumsökonom Niko Paech, die holländische Umweltanwältin und Sprecherin von Stop Ecocide! Shirleen Chin, der Parlamentarier Marco Bülow und die Umweltaktivistin Tonny Nowshin.
Am Alexanderplatz starten gegen 16:00 Uhr die Rebel Riders mit der Fahrraddemo "Kein Tempolimit für die Klimakrise? Ohne uns!" ihre Runde über das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) bis zum Washington Platz. Am Brandenburger Tor sind um 17:00 Uhr etwa 500 Aktivist:innen versammelt. Bereits während der Kundgebung werden die nächsten Blockaden vorbereitet.
Der Bundestag ist mit Bäumen blockiert
Gegen 18:10 Uhr wird das Regierungsviertel friedlich, kreativ und gewaltfrei verwandelt. Rund um den Bundestag sind insgesamt sieben Blockaden eingerichtet, Politiker:innen müssen aufgrund der blockierten Zufahrtsstraßen nachsitzen. Auf den drei Brücken Moltkebrücke, Marschallbrücke und Kronprinzenbrücke befinden sich jeweils 50-100 Aktivist:innen. Weitere Blockaden befinden sich im Tiergarten auf der Scheidemann- Ecke Yitzhak-Rabin-Straße, auf der Wilhelmstraße neben der Marschallbrücke, Unter den Linden sowie am Brandbenburger Tor. An der Kronprinzenbrücke, Unter den Linden und Yitzhak-Rabin-Straße sind jeweils drei stilisierte Bäume aufgebaut, in deren Kronen jeweils ein:e Aktivist:in eingezogen ist. Am Stamm haben sich drei bis vier Aktivist:innen angekettet. Lediglich die Köpfe schauen aus der Konstruktion, optisch passen sie sich mit Pilzmützen ein. An der Kronprinzenbrücke haben sich drei Aktivist:innen außerdem an einen Anhänger gekettet, Unter den Linden sind vier Aktivist:innen an einer Badewanne angeschlossen. Auf der Moltkebrücke haben sich Aktivist:innen auf der Fahrbahn angeklebt.
Eine durch uns mit initiierte Petition auf change.org zum Ökozid-Gesetz sammelt unterdessen fleißig Unterschriften.
Um 18.30 Uhr werden am Brandenburger Tor eine pinkfarbene und eine grüne Badewanne angeliefert und sofort von der Polizei konfisziert. Direkt aus dem Lieferwagen werden die Wannen in einen Polizei-LKW umgeladen.
Gegen 18:37 ist die Sitzblockade an der Marschallbrücke und Wilhelmstraße geräumt, während der Baum Unter den Linden noch auf eine entsprechende Spezialeinheit wartet. Um 18:55 Uhr hindern Einsatzkräfte der Polizei ein Lastenrad mit Verpflegung daran, Aktivist:innen am Brandenburger Tor mit einer warmen Mahlzeit zu versorgen. Um 18:56 Uhr wird an der Yitzhak-Rabin-Straße die Räumung angekündigt.
Nach Beiträgen von Redner:innen tanzt eine größere Discobedience Gruppe um 19:00 Uhr vor dem Brandenburger Tor "Staying Alive!".
19:15 Uhr: Unter den Linden, Ecke Wilhelmstraße ist die Kreuzung durch eine "lebende Baumskulptur" blockiert. Die Polizei ist bereits massiv vor Ort. In der Krone des Baums steht Aktivistin Lucie, die verkündet, dass sie den Baum erst dann freiwillig verlässt, wenn die Politiker:innen in Sachen Klimagerechtigkeit tätig werden. „Danni bleibt!“, ruft sie den Umstehenden zu, die ihr im Chor antworten. Etliche Aktivist:innen haben sich auf dem Bürgersteig versammelt: „Du – bist – nicht allein!“. „You are our hero!“, ruft ein Mann der mutigen Frau auf dem Baum zu. Auch die Red Rebels schauen vorbei und stehen mahnend am Rand der Szenerie.
Das Polizeiaufgebot ist enorm. Die Polizist:innen entfernen die Dekoration und lösen zuerst den angeketteten Mann vom Baumstamm. Dann beratschlagen sie, wie das Problem gelöst werden kann, die „lebende Skulptur“ von der Kreuzung zu räumen, ohne die Frau in der Baumkrone, die Teil der Skulptur ist, zu verletzen. Statt mit einer Hebebühne – wie die Aktivist:innen gehofft hatten – geschieht dies schließlich, indem der Baumstamm gekippt wird. Bei den Umstehenden sorgt das für einige Aufregung, denn sie müssen befürchten, dass die Frau in der Baumkrone dabei gefährdet wird. Nach Kippen des Stamms landet die Aktivistin sehr unsanft. Die Blockade wird weg geräumt und die Umstehenden von der Polizei zum Gehen aufgefordert.
19:30 Uhr – der Bundestag hat Sitzungsschluss.
Gegen 19:55 Uhr wird die Moltkebrücke langsam geräumt, während die Glue-Ons noch ausharren. Auch die Yitzhak-Rabin-Straße wird friedlich geräumt. Um 20:00 Uhr ist die offizielle Veranstaltung am Brandenburger Tor vorbei. Kurz nach 20:00 Uhr wird ein Livestreamer an der Kronprinzenbrücke festgenommen, weil er sich geweigert hat den Stream abzuschalten. Die Legal AG stellt das in Frage. Aktivist:innen wird über Lautsprecher ein Bußgeld von maximal 1000€ angedroht, wenn sie Farbahn nicht verlassen. Bei den meisten Räumungen werden Fotos zur Gesichtserkennung von allen Aktivist:innen gemacht, weil die jeweiligen Blockaden laut Behörden als unerlaubte Ansammlungen eingeordnet wurden.
Gegen 20:50 Uhr ist die Yitzhak-Rabin-Straße geräumt, um 21:00 Uhr trifft eine Essenslieferung am Invalidenpark ein. Bis 21:40 Uhr sind die verbleibenden fünf Blockaden mit Bäumen, Badewanne und Anhänger geräumt.
Medien Echo
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Berliner Morgenpost
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Gegen die Macht der Kohlelobby
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BZ Berlin
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klima.taz