[XR 05.10.20] Kickoff: Wir sind wieder da! Stoppt die Zerstörung, jetzt! | RW 2020.2

Die Politik schläft noch!

Montag, 05. Oktober 2020. Bereits um 05:30 Uhr blockiert Animal Rebellion das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit einem modifizierten Tiertransporter und fordert die Agrarwende.

Laut dem aktuellen Bericht des IPCC (Intergovemental Panel of Climate Change), ist unsere Ernährung für etwa ein Drittel aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. Der Großteil dieser Emissionen stammt aus der Herstellung tierischer Produkte – durch Landverbrauch, Futtermittelanbau und Verdauungsgase von Rindern. Animal Rebellion fordert daher eine Umstellung zu einem pflanzenbasierten Ernährungssystem. Bis 2050 könnten allein damit 16 Jahre an Treibhausgasemissionen fossiler Energiegewinnung eingespart werden. Rund 30 Aktivist:innen sind an der Aktion beteiligt, fünf sind am Transporter angekettet. Die Polizei fährt ganze 15 Mannschaftswagen auf, aber die Situation bleibt friedlich und ruhig.

Hallo, Herr Scheuer?!

Ab 06:15 Uhr werden Eingänge des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) von etwa 80 Extinction Rebellion Aktivist:innen blockiert. Dabei halten sie den Sicherheitsabstand zum Infektionsschutz ein. Mit der friedlichen Aktion wenden sie sich an Verkehrsminister Scheuer und Kanzlerin Merkel, die Zerstörung von Ökosystemen, wie den Dannenröder Wald, sofort zu stoppen. Außerdem wird die Einberufung einer Bürger:innenversammlung zur Erarbeitung einer klima- und sozialgerechten Verkehrswende gefordert. Einsatzkräfte der Polizei sind zeitgleich eingetroffen und wittern eine Chance – Aktivist:innen werden von der Straße gezerrt und Pfefferspray eingesetzt. Sanitäter:innen betreuen die Betroffenen. Danach entspannt sich die Lage.

Vier Eingänge sind von Aktivist:innen blockiert, die jeweils mit Bügelschlössern an Geländer gekettet oder mit Sekundenkleber am Boden festgeklebt sind. Notausgänge wurden freigelassen. Die Lock- und Glue Ons werden von Einsatzkräften eingekesselt, weitere Aktivist:innen können sich unter Androhung von Strafen oder Verhaftungen nicht mehr dazu gesellen und lassen sich drumherum mit Bannern nieder.

Die Gruppe fordert vom Verkehrsministerium, einen sofortigen Stopp des Aus- und Neubaus von allen Flughafen-, Autobahn- und Bundesstraßenprojekten, insbesondere der Ausbau der A49 in Hessen durch den Dannenröder Wald. Zukünftige Bauprojekte und Subventionen sollten nur genehmigt werden,  wenn diese Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor senken und keine ökologische Zerstörung verursachen. 

„Es ist jetzt dringend notwendig, dass unsere Lebensgrundlagen, wie gesunde Wälder und saubere Luft geschützt werden. Die aktuelle Zerstörung dieser Lebensgrundlagen lässt mir allerdings keine andere Wahl, als mich heute hier anzuketten."

Aktivistin und Psychologin Jana Mestmäcker


Um 09:00 Uhr läuft auf RadioEins ein Interview mit Pressesprecherin Annemarie Botzki


Ein Trauerspiel

Gegen 10:00 Uhr startet die Demo "Zug der toten Bäume" am Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Viele Trauergäste sind schwarz gekleidet, andere sind phantasievoll in grün als Waldgeister kostümiert. Zahlreiche Aktivist:innen haben sich mit Totholz-Zweigen dekoriert oder halten abgestorbene Äste in die Höhe, in denen sich rote und orangefarbene Bänder verfangen haben: Ja, der Wald brennt!
Flankiert wird die Prozession von der Performance-Gruppe Red Rebels.

Dass der sich langsam vorwärts bewegende Trauerzug eine solch überaus eindrucksvolle Inszenierung ist, ist vor allem auch der berührenden Musik geschuldet: Neben den Requiems von Mozart und Verdi wird auch Pergolesis Stabat Mater gespielt, außerdem eine Arie von Händel (Lascia ch'io pianga) und Piazzollas Oblivion.
Doch das ist nicht alles: Die Musikstücke werden immer wieder jäh unterbrochen von Geräuschen von Kettensägen und umstürzenden Bäumen. Wir sind hier live dabei bei der Rodung des Dannenröder Waldes, die vier Tage zuvor begonnen hat.

An verschiedenen Stationen finden Kundgebungen statt mit Beiträgen von verschiedenen Gastredner:innen: Ines von Keller vom Verband deutscher Forstleute hat eine klare und alarmierende Botschaft. Eine eindringliche Rede hält auch die Nachhaltigkeitsforscherin Prof. Malika Virah Sawmy von der HU Berlin.

Der Biologe und Anti-Fracking-Aktivist Esteban Servat verurteilt, dass mit deutschen Fördergeldern und Investitionen Fracking in Argentinien und Kanada unterstützt wird. Silvan Griesel von der Charité Berlin und Health For Future Berlin spricht über die Zusammenhänge von Klimakatastrophe und Gesundheit. Er appelliert an die Verantwortung von Menschen, die im Gesundheitswesen beschäftigt sind und fordert, dass gerade auch Ärzt:innen ihre Position nutzen sollten: "Vermittelt die Diagnose mit der passenden Therapie!".

Auf der Marshallbrücke legen sich alle auf die Straße zu einem großen Die In – musikalisch begleitet von Manon auf ihrer Bratsche. Die Red Rebels bewegen sich langsam durch die Szenerie und beugen sich klagend über die "toten" Menschen.

Kurz nach 12:00 Uhr erreicht der Trauerzug den Invalidenpark gegenüber dem Verkehrsministerium, wo noch immer Aktivist:innen zwei Eingänge friedlich blockieren.


Solidarische Grüße: Um 12:30 Uhr ruft Ende Gelände Berlin/Brandenburg zum Protest mit XR auf.


Gegen 13:00 Uhr wird die Animal Rebellion Blockade am BMEL aufgelöst und das Material konfisziert.

Von 15:00 - 16:30 Uhr löst die Polizei die Blockade am BMVI auf. Personalien werden aufgenommen und Taschen durchsucht. Die Einsatzkräfte sind gemischt, eine Einheit der Hamburger Polizei wendet Schmerzgriffe bei allen Aktivist:innen an, welche nicht freiwillig aufstehen.

Gegenüber der Blockade haben sich an der Absperrung im Invalidenpark Unterstützer:innen versammelt. Liedtexte werden verteilt, Sprechchöre wechseln sich mit Liedern ab: "We are unstoppable, another world is possible!" und "Ihr - seid - nicht allein!". Eine Gruppe tanzt spontan die Discobedience Choreografie "Staying Alive!".

Info Point, Austausch und Regeneration

Im Invalidenpark wird die Mahnwache eingerichtet & bis Ende der Woche eine Anlaufstelle für Aktivist:innen, Interessierte und Passant:innen sein.

Who's streets? Our streets!

An der Friedrichstraße finden ab 16:30 noch mehrere Swarmings statt, bei denen Aktivist:innen während Rotphasen auf Fußgängerampeln Banner zeigen und Flyer verteilen.

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