Für Cynthia war die Rebellion of One am 15. Mai ein besonderes Ereignis, denn es war ihre erste Aktion bei XR. Sie hat sich in Darmstadt auf die Straße gesetzt und berichtet über ihre Erfahrungen und Gedanken.
Es ist jetzt eine Woche her, dass ich in Darmstadt an der Rebellion of One teilgenommen habe, es war meine erste Aktion bei XR und auch überhaupt, abgesehen von ein paar Demos. Ich war unfassbar gut vorbereitet, habe nahezu jedes Briefing und Training vorher mitgemacht, kam in eine wunderbare Ortsgruppe, auch wir trafen uns online einige Male und besprachen alles bis ins Detail.
Die Aktion selbst verlief bilderbuchmäßig: Die Straße war eine Einbahnstraße, Tempolimit 30, ich saß vor einem Alnatura. Die Frau, die schließlich vor mir im Auto saß, war genervt, aber nicht bösartig, die Zuschauer:innen (wegen des Regens waren es nicht viele) freundlich und wertschätzend. Mit einigen kam ich ins Gespräch, nicht eine kritische Stimme war dabei. Als nach rund 25 Minuten die Polizei kam, war auch diese freundlich und unendlich geduldig. Ich könne da gern noch bis 18 Uhr sitzenbleiben, so lange seien sie heute im Dienst. Aber da sie dann die stehenden Autos zum Umdrehen brachten und den folgenden Verkehr umleiteten, gab es für mich keinen Grund mehr, länger sitzenzubleiben. Also beendete ich die Aktion unter Beifall.
An dem Tag saßen im Anschluss noch zwei weitere Aktivistinnen aus Darmstadt, die ich als Support begleitete. Auch da lief alles gut, wir hatten es geschafft.
Abends dann die Fragen: Was hatten wir da eigentlich geschafft? Wir hatten, jede von uns, für rund 40 Minuten den Verkehr blockiert, haben ein paar wenige Menschen mit unseren Ängsten konfrontiert und wurden dafür mit Applaus belohnt. Wir haben gemerkt, dass wir ganz schön mutig sein können und dass es zwar aufregend war, aber längst nicht so beängstigend wie angenommen. Sollte uns das nicht mit Stolz erfüllen, mit Glück und dem guten Gefühl, etwas getan zu haben? Bei mir kamen eine ganze Menge anderer Gefühle auf, nachträglich, im Laufe der Woche. Tatsächlich war diese Aktion ein wenig wie ein Erweckungserlebnis, aber das Erwachen führte mich nicht in eine schöne neue Welt, sondern in eine Welt, die kurz vor dem Untergang steht. Natürlich wusste ein Teil von mir das vorher schon, aber wissen und wissen sind manchmal zwei komplett verschiedene Dinge. Ich habe an diesem Tag die rote Pille geschluckt und mich tiefer als je zuvor in den Kaninchenbau aufgemacht. Hier gibt es jedoch nichts außer der Wahrheit. Eine Wahrheit über das Ende, das uns allen unmittelbar bevorsteht. Ein Ende, das meine wunderbaren, unerzogenen Kinder leiden lassen wird, so wie viele, viele andere Kinder auch.
Wie soll ich also mit dem Wissen umgehen? Wie geht ihr damit um? Was bleibt uns zu tun? Aufgeben? Noch nicht. Noch nicht gleich. Erst, wenn ich wirklich das Gefühl habe, dass wir alles gegeben haben, alles probiert haben. Da ist noch Platz nach oben. Es wird weitere Rebellions of One geben, irgendwann wird die Sonne scheinen und es wird viele Menschen geben, die uns sehen. Dann werde ich vorbereitet sein. Werde ihnen Einladungen in die Hand drücken, mit ihnen reden und sie überzeugen. Und beim nächsten Mal sitzen wir vielleicht schon mit 10 Aktivist:innen auf der Straße, blockieren nicht nur eine Straße, sondern jede verdammte Straße in dieser verdammten Stadt. Vielleicht wird man dann über uns berichten und uns somit die Möglichkeit geben, zu sagen, was gesagt werden muss. Immer und immer wieder. Unser Gehirn arbeitet langsam, es braucht viele Wiederholungen, ständigen Input auf verschiedene Art und Weise. Und irgendwann macht‘s Klick. Mein Klick war scheinbar die Rebellion of One, ich musste erst selbst dort auf der Straße sitzen, um den Schalter im Kopf umzulegen, unwiderruflich.
Cynthia Kappler engagiert sich bei XR in der OG Darmstadt.
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