Der Weg zu Gerechtigkeit für eine lebenswerte Zukunft

Dekolonisierung, Verbündet-Sein und Selbstreflexion

Die globalen systemischen Krisen zeigen sich immer deutlicher. Weltweit verschwinden unwiederbringlich Tier- und Pflanzenarten, Kulturen und ganze Ökosysteme. Für Diejenigen, welche am Wenigsten zu den Ursachen der Krisen beigetragen haben - Menschen im Globalen Süden, Menschen, die von den Konsequenzen jahrhundertelanger Ausbeutung, Rassismus und vielfältigen anderen Diskriminierungsformen betroffen sind – eine doppelte Last. Ihnen wird nicht nur abverlangt die Konsequenzen unseres Handelns zu ertragen, sondern auch unsere Lösungsvorschläge – an deren Ausarbeitung sie häufig gar nicht beteiligt werden. Diese enorme Ungerechtigkeit ist die Fortsetzung einer Entwicklung, die schon vor langer Zeit mit der Kolonialisierung begonnen hat und sich in der heutigen Unterdrückung durch industrielle Zivilisationen fortsetzt.

Die Echos des europäischen Kolonialismus holen uns ein, verbinden uns in einem globalen Netz der Ausbeutung und auch des Widerstands.

Erster Schritt: die eigene Position in einem rassistisch-unterdrückerischen System erkennen

Foto: Alle Dörfer Bleiben

Als Aktivist*innen wollen sich viele für eine bessere Welt einsetzen. Gerechter. Ökologischer. Solidarischer. Lebensfreundlicher. Aber wie kommen wir dorthin?

Werden die Lösungen, die aktuell diskutiert und teilweise schon umgesetzt werden, zu einem wirklich gerechten Wandel führen? Können diese Lösungen überhaupt die Zerstörung von Leben in dieser Größenordnung aufhalten, oder sogar rückgängig machen? Sollten wir gerade wegen aller Dringlichkeit innehalten und uns fragen: sind wir auf dem richtigen Weg? Können wir diese Ziele mit demselben Denken und Handeln erreichen, welches uns in diese Lage gebracht hat?

Mit Sicherheit haben wir nicht alle Antworten auf alle diese Fragen. Daher wollen wir zu Beginn dieser Kampagne dazu einladen unser Verständnis, innere Haltung und unsere Herangehensweise selbstkritisch zu analysieren und zu hinterfragen.

Dekolonisierung der Denkweise

XR Scotland

Wer und was ist “wir”? Welche Beziehungen haben wir zueinander, zum Land, Gewässern, Flora und Fauna? Wie können wir einen wirklich gerechten ökologischen und sozialen Wandel gemeinsam erreichen? Was bedeutet Solidarität für diejenigen, die schon seit Generationen für ihre Lebensgrundlagen kämpfen und diese gegen Zerstörung verteidigen? Und sitzen wir wirklich alle "im selben Boot", wie in der europäischen Klimadebatte oft fälschlicherweise behauptet wird?

Der koloniale Raubzug begann vor vielen Jahrhunderten und setzt sich bis heute fort. Er zeigt sich in einer von der Politik geförderten globalen Ungerechtigkeit, in Wirtschaftssystemen, die ungleiche Verteilung von Ressourcen rechtfertigt, oder in gewalttätigen Industrien welche Proft vor Leben stellen.

Die Dekolonisierung des Denkens meint aber neben der Überwindung dieser Ungerechtigkeiten noch viel mehr - nämlich die Hinterfragung der Dominanz durch westliche Vorstellungen, Werte, und Handlungsweisen, z.B. in Bezug auf "Entwicklung", "Fortschritt", "Natur" oder "Wissen".

Es bedeutet auch, als Klima- und Umweltaktivist*innen im Globalen Norden die eigenen Grundannahmen über unsere Beziehungen zu hinterfragen und, z.B. konstruktive wechselseitige Lernmomente mit Indigenen Menschen zu ermöglichen. Dabei sollten wir nicht (schon wieder) die eigenen Interessen in den Vordergrund stellen, sondern die Zusammenarbeit so organisieren, dass sie für Indigene Menschen bedeutungsvoll ist. Wenn wir nicht wissen wie das geht, bedeutet es oft dass wir unsere bisherige Beziehung nicht gut genug verstehen.

Effektive Verbündete werden und Kompliz*innen sein – die eigenen Privilegien bewusst machen und sie untergraben

Dekolonialisierung ist nicht einfach nur ein weiterer Aspekt der sozialen Gerechtigkeit. Stattdessen bedarf es einer Auflösung von Schauplätzen des Kolonialismus, z.B. durch Umverteilung von Resourcen oder Rückgabe von Ländern an Indigene Menschen. Was bedeutet es, "gute Verbündete" von BIPoC* und anderen marginalisierten Menschen zu werden? Reicht dies überhaupt oder sollten wir danach streben "Kompliz*innen" zu sein - die eigene Bequemlichkeit zu verlassen und Risiken einzugehen? Was bedeutet es, die eigenen Privilegien, Fähigkeiten und Mittel zu teilen, ohne sich als Retter*innen darzustellen und Andere zu bevormunden? Was können wir konkret tun, um strukturellen Rassismus und Kolonialismus in allen Lebensbereichen, aber auch in unseren Bewegungen auszuräumen?

Die Länder des Globalen Nordens und insbesondere die weissen Menschen dort profitieren von der historischen Kolonialisierung durch unseren Wohlstand und andere sichtbare und unsichtbare Privilegien. Weisse Klimaaktivist*innen sollten sich dessen bewusst sein und aktiv am Abbau dieser Ungerechtigkeiten arbeiten.

Zuhören statt bevormunden

Es ist längst überfällig, mit Respekt den Menschen zuzuhören, die zum Beispiel über viele Generationen in enger Verbindung mit ihrem Land leben. Dies umfasst auch die vielen BIPoC*-Aktivist*innen im Globalen Süden und innerhalb der sozialen und ökologischen Bewegungen im Globalen Norden, die schon lange die Machtverhältnisse hinterfragen und auch erfolgreich überwinden. Zuzugeben, dass das eigene Wissen beschränkt ist, und vom Wissen und den Weltsichten dieser Menschen zu lernen, ist einer von vielen Schritten auf dem Weg der Dekolonisierung des Denkens. Vor allem priviligierte Menschen im globalen Norden haben daher eine besondere Verantwortung, Dekolonialiserungsprozesse zu unterstützen ohne sie sich anzueignen oder zu dominieren.

Die Dystopie des Kolonialismus zeigt sich nicht erst durch die Klimakrise sondern zerstört bereits seit Generationen weltweit Lebensgrundlagen und Kulturen. Dank des Widerstands und dem Überleben von kolonialisierten Menschen wurde an vielen Orten Selbstbestimmung aufrecht erhalten oder zurück erlangt. Privilegierte Menschen sollten nach Wegen schauen, diesen Widerstand so zu unterstützen, wie die Betroffenen es wünschen, statt zu glauben, die richtigen Lösungen für die ganze Welt zu haben.

Die Dekolonisierung des Denkens und Handelns ist ein langer Prozess, der noch lange nicht abgeschlossen ist und in dem es auch unvermeidlich ist Fehler zu machen. Aber es ist unsere Verantwortung, uns auf den Weg dorthin zu machen – den Menschen zu folgen die schon lange auf dem Weg in eine dekoloniale Zukunft sind!!

*BIPoC steht für Black, Indigenous, People of Color - politische Selbstbezeichnung von Menschen, die Rassismuserfahrungen machen. Diese Bezeichnung bezieht sich auf die Widerstands-Erfahrungen Schwarzer, Indigener und anderer wegen ihrer hautfarbe diskriminierter Menschen und sollte statt Fremdbezeichnungen verwendet werden

Quellen:

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Black Earth - BIPoC Environmental & Climate Justice Kollektiv

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