Rebellion of One die zweite

Rebellion Of One - Eindrücke von Lily


Rebellion Of One - Eindrücke von Melina


Rebellion Of One - Eindrücke von Pati

Ich bin 40 Jahre alt, verheiratet, Vater zweier Kinder im Grundschul- bzw. Kindergartenalter und arbeite als Verwaltungsangestellter In meiner Freizeit unternehme ich gerne was mit meinen Kindern, spiele Inlinehockey, trinke Bier mit Freunden oder gehe gerne mit unserem Bulli campen.

Bereits in meinem Schulabschlussbericht steht „Patrick ist die Umwelt sehr wichtig“, ich bin seit 25 Jahren Greenpeace Fördermitglied, Klimawandel ist mir schon lange ein Begriff, weshalb ich ja meiner Meinung nach schon lange ganz viel tue. Ich ernähre mich fleischarm/vegetarisch bzw. phasenweise vegan, beziehe seit vielen Jahren Ökostrom, habe ein Konto bei der GLS. Schon zu Teenagerzeiten war mein sehnlichster Weihnachtswunsch, dass meine Mutter die Geschenke in Zeitungspapier einpackt. Seit vielen Jahren unterschreibe ich Petition der großen Umweltverbände oder sende Postkarten an Regierungsmitglieder und fordere sie auf die Meer zu schützen oder den Eisbären zu retten.

Richtig begriffen, was Klimawandel eigentlich bedeutet und dass wir mit Geschenken in Zeitungspapier und Mülltrennung nicht mal den berühmten Tropfen auf den heißen Stein geben, habe ich erst vor zwei Jahren. Meine Frau kam von einem Seminar nach Hause und erzählte mir, worauf wir eigentlich gerade zusteuern. Es war schwer für mich zu fassen, denn ich fühlte mich gut informiert, schaute Nachrichten, las Zeitung und ja auch seit 25 Jahren das Greenpeace Magazin.

Ich wollte mein Wissen überprüfen und las den Bericht des Weltklimarats, war bestürzt, las weitere Studien und war geschockt, verunsichert, ungläubig. Wie war es möglich, dass die Faktenlage so erschreckend wie eindeutig war, ich davon aber mehr oder weniger nichts mitbekommen habe.

Im globalen Süden leiden und sterben bereits abertausende Menschen an den Folgen der Klimakatastrophe und das alleine sollte uns täglich zum Protest auf die Straße treiben. Die Klimakatastrophe bedroht aber auch hier alles was uns lieb und wichtig ist. Das fängt im Kleinen an. Das Gras in unserem Gemeinschaftsgarten ist vertrocknet, Zecken haben sich dort ausgebreitet, der Ausflug in den Harz mit den Kindern, der mal den Alltag und die Coronabeschwerlichkeiten hinter einem lassen sollte, wird zum Anschauungsunterricht der Zerstörung, die die Erderwärmung bereits nach sich zieht. Das Leben in unserer Dachgeschosswohnung wird im Sommer zunehmend unangenehm und in ein paar Jahrzehnten so nicht mehr möglich sein. Was Pandemien, ausgelöst durch den gleichen, zerstörerischen Umgang mit der Umwelt und unserem Planeten und befördert durch die Klimaerhitzung, für unseren Alltag bedeuten, spüren wir gerade alle selbst.

Das ist aber alles nur der Anfang. In den Hitzesommern der letzten Jahre kam in den ersten Gemeinden kein Wasser mehr aus dem Hahn. In Niedersachsen steht das vierte Dürrejahr bevor. Dieses Jahr soll die Trinkwasserversorgung noch gesichert sein (Quelle). Und nächstes? In zehn Jahren? Es kommt zu Ernteausfällen. Was Wasser- und Nahrungsmittelmangel mit unserer Gesellschaft machen werden, wage ich mir nicht auszumalen.

Ich habe Angst und die Zukunftsaussichten meiner Kinder lassen mich verzweifeln und nachts wach liegen. Wir müssen verstehen, dass die Klimakrise uns alle treffen wird. 2050 werde ich gerade in Rente gegangen sein. Ich wollte dann einen ruhigen Lebensabend genießen und viele spannende Sachen mit meinen Enkeln erleben. 2050 werden meine Kinder mitten im Leben stehen, vielleicht selbst gerade eine Familie gegründet haben.

2050 werden wir jedoch in einer anderen, deutlich lebensfeindlicheren Welt leben. Wieviel Leid das Leben dann mit sich bringen wird, können wir im hier und heute noch mitbestimmen. Solange wir Treibhausgase ausstoßen, wird sich die Erde weiter erhitzen. Wir müssen jetzt sofort damit aufhören.

Das mag sich seltsam anhören und -fühlen, aber Klimaprotest gehört für mich deshalb, genau wie Zähneputzen, zu den absoluten, täglichen, elterlichen Grundaufgaben. Karies (und Baktus) bedrohen lediglich die Zähne unserer Kinder, die Klimakrise ihr ganzes Leben.

Deshalb habe ich mich entschlossen an der Rebellion of One teilzunehmen. Ich war sehr aufgeregt, hatte große Angst angefahren oder -gegriffen zu werden und die möglichen rechtlichen Konsequenzen lassen mich alles andere als kalt. Aber angesichts dessen, wo wir stehen, sind das kleine Opfer. Wenn ich mit der Aktion auch nur eine andere Person inspiriere beim nächsten Mal mitzumachen und diese wiederum eine, habe ich als Einzelner eine Welle losgetreten, die nicht mehr aufzuhalten sein wird. 1,2 Millionen Menschen, die zwei Stunden beim Klimastreik durch die Straße laufen, lassen sich leicht ignorieren. 1,2 Millionen Menschen, die angesichts dieser Notsituation zum angemessenen und gerechtfertigten Mittel des zivilen Ungehorsams greifen, können nicht mehr ignoriert werden.

Ich setzte mich also in einer mir weitgehend unbekannten Stadt auf die Straße. Die ersten Autos führen links oder rechts an mir vorbei. Ein paar Menschen nickten anerkennend. Eine Frau lobte mein Engagement und steckte mir 10 Euro zu. Ich versprach diese zu spenden.

Dann hielt ein Autofahrer etwas weiter weg an, zögerte kurz und fuhr ganz zu mir ran. Er stieg aus und gab mir deutlich zu verstehen, dass ich hier verschwinden soll. Es gäbe weiter unten auch einen Ort, wo ich viel mehr Autos blockieren könnte. Ich teilte ihm mit, dass es nicht mein Ziel sei möglichst viele Autos zu blockieren, sondern lediglich auf eine planetare Notsituation aufmerksam zu machen. Er schubste mich darauf hin zweimal leicht an der Schulter und ich bat ihn höflich mich nicht mehr anzufassen und den Abstand auch wieder einzuhalten, was er dankenswerter Weise auch tat. Er wollte die Polizei rufen, hatte aber kein Telefon dabei. Die von ihm angesprochenen Passant:innen und anderen Autofahrer:innen wollten ihm nicht weiterhelfen. Einige vermutlich aus Zeitmangel oder Desinteresse, einige auch explizit, weil sie meinen Protest begrüßten.

Hinter seinem Wagen hielt ein weiteres Auto. Ein Mann sagte, dass er gerade von der Arbeit nach Hause komme und müde sei und bat den vor ihm stehenden Fahrer doch einfach an mir vorbeizufahren. Es tat mir Leid auch diesen Mann in seinem Alltag stören zu müssen, war mir aber sicher, dass es das richtig ist, sitzen zu bleiben. In diesem Moment kam zufällig ein Polizeibus vorbei.

Sechs Polizist:innen steigen aus. Als sie später meine Personalien aufnahmen, um die Anzeige wegen Nötigung zu bearbeiten, die der Autofahrer gestellt hatte, kam ein älterer Herr auf mich zu: "Bewachen diese vielen Polizisten sie?" "Was haben sie denn getan" Ich zeigte ihm mein Protestschild auf dem stand "Ich habe Angst vor dem Leid, das meine Kinder erleben werden wegen der Klimakrise" Er gibt sich als Jurist zu erkennen, lobt meinen Mut und mein Engagement und gab mir zu verstehen, dass er mein Handeln angesichts der Notsituation in der wir uns befinden mehr als angemessen findet.

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