Die Biomasse an Insekten ist in Deutschland seit 1989 um 76 Prozent zurückgegangen. Mitverantwortlich dafür sind auch Konzerne wie Bayer Monsanto, die mit Pestiziden Milliarden verdienen und zugleich unsere Lebensgrundlagen zerstören.
Deshalb besetzten Aktivist:innen von XR und Animal Rebellion am 21. Januar den Firmensitz von Bayer Monsanto in der Berliner Müllerstraße und forderten: Schluss mit Glyphosat! Stoppt das Artensterben!
Hier die eindrucksvolle Rede, die Cleo Mieulet bei der Blockade hielt.
In unser aller Körper befinden sich Produkte von Bayer Monsanto, in deinem, in meinem; es ist kaum möglich, Menschen zu finden, in deren Urin kein Glyphosat nachweisbar ist.
Bayer Monsanto vereint die gesamte Produktpalette, die zur Produktion von Nahrungsmitteln gebraucht wird. Patentiertes, sogenanntes Hybridsaatgut, das nicht nach der Ernte anteilig für die nächste Aussaat wiederverwertet werden kann, wie es seit Tausenden von Jahren Brauch ist, denn es ist genetisch so verändert, dass dieses Saatgut in der nächsten Generation seine guten Eigenschaften verliert. Dann, meist auf Phosphatbasis, Düngemittel, weiter Insektizide, Pestizide, Fungizide, Herbizide und Wachstumsregler: fertig ist der feine Cocktail, das Paket, das die Landwirt:innen in den Schwitzkasten nimmt und sie völlig abhängig macht.
Nicht nur das, diese Produkte machen auch krank, erwiesenermaßen. Hormonelle Störungen, Hautkrankheiten, Autismus, diverse Krebsarten. Überall auf der Welt. In Frankreich ist mittlerweile Parkinson als Berufskrankheit bei Winzer:innen anerkannt, diese rührt direkt von der Nutzung von Glyphosat. Im Globalen Süden - z. B. in Brasilien - gibt es Regionen, wo diese Situation ein solches Maß erreicht hat, dass es regelrechte regionale Herde von Krebserkrankungen gibt, wo Pestizide per Flugzeug ausgetragen werden.
Seit 20 Jahren wird eine auffällige Häufung von chronischem Nierenversagen in Zuckerrohranbaugebieten Zentralamerikas beobachtet. Arbeiter:innen auf den Plantagen sind davon genauso betroffen wie die im Umfeld lebenden Familien. Die im Zuckerrohranbau eingesetzten Herbizide Paraquat und Glyphosat sind die Ursache. Und im Verdacht stehen auch hochgiftige Pestizide, die aufgrund ihrer Umwelt- und Gesundheitsrisiken in der Europäischen Union (EU) explizit verboten sind, aber von europäischen Unternehmen in Länder des Globalen Südens weiter exportiert werden. Und Ironie sowie ausgleichende Gerechtigkeit der Geschichte: diese landen durch Importe wieder in die EU. Zusätzlich zur brutalen Verschuldung und Verarmung durch Knebelverträge ist das die Wirklichkeit in Argentinien, Indien, den USA, auf jedem Kontinent.
Diese Pestizide belasten global unser Wasser und unsere Böden: unsere planetaren Gemeingüter. Sie bedrohen global und konkret unsere Ernährungssicherheit.
Sie senken die Zahl der Insekten, Bienen, der Myriaden von wirbellosen Tierchen, die die Erde erst fruchtbar machen, und dann in Folge die der größeren Tiere, die sich von diesen ernähren. Und das ist für Menschen, die schon ein wenig älter sind wie ich, greifbar, sichtbar. Ich kann erzählen, wie ich als Kind in Schleswig-Holstein meine Ferien auf dem Bauernhof meiner Großeltern verbrachte und riesige Schwärme, ja Scharen von Vögeln sah, die dem Trecker meines Großvaters beim Arbeiten auf dem Feld folgten. Ich erinnere mich so gern an die Kiebitze, es gab sie zuhauf. Das sind sehr lustige Vögel, grazil und mit so einer niedlichen Punkfrisur, sie waren eine banale Erscheinung. Heute sind diese Vögel vom Aussterben bedroht wie so viele andere Tierarten auch. Neben denen, die schon jetzt verschwunden sind.
Das Artensterben, die Vergiftung unserer Gewässer, die Überdüngung unserer Böden, die Zerstörung unserer Pflanzen- und Tierwelt: das geht alles auf das Konto solcher riesigen Unternehmen wie Bayer Monsanto. Ihr Gewinn ist unsere Bedrohung, ihr Profit ist unser Verlust. Mit Bayer Monsanto verlieren wir als planetare Familie unsere Würde und unsere Lebensgrundlage.
2017 wurden in der EU mehr als 1,3 Millionen Unterschriften von Bürger.innen gesammelt, um ein Glyphosat-Verbot zu erwirken. Bis heute ist dieses Produkt - trotz erdrückender Beweislage, wie sehr es uns schadet - immer noch zugelassen. Und seine Verwendung steigt sogar an.
Und nun? Es ist immer noch möglich zu handeln, es ist immer noch möglich, dieser zerstörerischen Logik ein Ende zu setzen und Beschlüsse zu fassen, Verbote zu erlassen. Ja, Verbote, um endlich diese toxischen Produkte zu verbannen. Mexiko hat diese Möglichkeit ergriffen und 2020 den Einsatz von Pestiziden nach jahrelangem Ringen zu 2024 verboten.
Diese Chance besteht 2022 auch auf EU-Ebene wieder. Es wird auch von der deutschen Regierung abhängen, ob das endlich durchgesetzt wird. Die Agrarwende ist möglich, es fehlt nicht an Know-how! Es fehlt lediglich an politischer Umsetzung.
Etwas anderes: Um die Agrarwende zu wuppen, wird es einen riesigen Wandel in unserer Arbeitswelt brauchen. Heute sind weniger als 2 % der Bevölkerung in Deutschland in der Landwirtschaft tätig. Nur durch die Intensivierung der Arbeitsabläufe bis zum Anschlag sowohl in der Tierhaltung als auch auf den Feldern ist es möglich, dass so wenige Menschen diese zentrale Aufgabe in unserer Gesellschaft erledigen: uns alle zu ernähren. Eine Wende zur ökologischen Landwirtschaft wird kleinere, abwechslungsreichere Flächen nach sich ziehen und einen viel aufwendigeren, komplexeren Umgang mit dem Boden, den Pflanzen und den Vorgängen auf den Feldern. Dies wird sehr viel mehr Hände und Fachkräfte brauchen. Wenn wir also Ernst machen mit der ökologischen Landwirtschaft, wird ein viel größerer Anteil unserer Bevölkerung in diesem Bereich tätig werden. Auch hier sind die Jobs von morgen.
Und die Menschen, die heute bei Bayer Monsanto tätig sind, die chemisches Wissen in diesem Bereich haben, was sollen sie in Zukunft machen? Sie haben doch Kompetenzen, die unerlässlich sind für Renaturierung, ökologische Landwirtschaft und Bodenheilung! Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, wenn die Agrarwende kommt. Der Umbau unserer Arbeitswelt ist eine der Mammutaufgaben bei der Agrarwende, überhaupt bei der sozial-ökologischen Transformation. Wir werden Orte brauchen, wo wir das alles lernen können. Der Wandel kommt, durch Katastrophen, Ernteausfälle auf unseren ausgedörrten, toten Böden ohne Bestäuber ODER weil wir ihn gestalten und uns resilient machen. Auch dafür werden wir kämpfen!
Jetzt braucht es Politik mit Rückgrat, die Ankündigungen auch Taten folgen lässt. Die sich gegen Einflussnahme von Bayer Monsanto auflehnt, die sich mit dem Bauernverband anlegt.
Immer noch sind nur knapp mehr als 10 % unserer landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland ökologisch bewirtschaftet. 90 % sind es also nicht. Bei der letzten Regierungsbeteiligung der Grünen versprach die damalige Landwirtschaftsministerin Renate Künast einen Anstieg auf 20 %, das war 2002. 20 Jahre später spricht Cem Özdemir von angestrebten 30 %. Bisher nur Worte. Wir sind gespannt und werden nicht weiter auf Petitionen und die freundliche Beratung von NGOs setzen, das haben wir gelernt. Wir machen Druck, auch mit zivilem Ungehorsam. Wir stehen auf für das Leben!