Mein Fazit der Herbstrebellion
Die HerbstRebellion ist vorbei, und vielen stellt sich die Frage nach ihrem Erfolg und wie es nun weitergeht. Ich versuche das Ganze einmal aus meiner Perspektive darzustellen und starte mit den Erfolgen.
Das Wichtigste: Wir haben unseren Protest gegen die mörderische Politik und das Gesellschaftsversagen auf die Straße getragen. Wir sind nicht bereit, die Augen zu verschließen, sondern leisten Widerstand!
Wir waren schätzungsweise 500 Menschen auf der Samstagsaktion am Schlesischen Tor (als internes Ziel hatten wir 300 Menschen), von denen sich 235 Menschen räumen ließen.
- Wir haben ein verrücktes, buntes Straßenfest gefeiert und gezeigt, wie wir uns die Zukunft in unserem Kiez vorstellen.
- Trotz hohem Polizeiaufgebot haben wir mitten in Berlin einen riesigen Ölbohrturm aufgestellt, zwei wichtige und bekannte Straßen in Berlin blockiert und für Stunden dort protestiert.
- Wir haben im ersten XR-Camp seit drei Jahren (und natürlich auf den Aktionen) unseren Zusammenhalt gestärkt und in unserem Miteinander den Wandel gelebt.
- Wir haben uns nicht nur auf die Aktionen konzentriert, sondern auch Formen regenerativer Kultur in den Vordergrund gerückt. Wir haben gezeigt, wie eine bessere Welt aussehen kann.
- Mit ganz vielen unterschiedlichen Menschen aller Altersgruppen haben wir eine friedliche, bunte Stimmung und starke Aktionsbilder erzeugt. Mit den Geschichten und den Bildern dieser Wave können wir sehr gut mobilisieren.
- Wir haben Kraft und Vertrauen getankt und gehen voller Motivation und mit neuen Ideen in unsere Ortsgruppen zurück.
- Wir haben unsere Strukturen gestärkt. Die Herbst-Rebellion wurde von nur wenigen Menschen organisiert. (Was ist wohl möglich, wenn alle mitarbeiten?) Es wurde realistisch geplant, und viele Punkte aus dem Strategiepapier wurden umgesetzt. Das Orga-Team hat sich sehr gut verstanden und Vertrauen untereinander aufgebaut. Stand jetzt ist auch keiner ausgebrannt – wir haben Bock auf mehr!
Das sind erst einmal einige Erfolge, die mir auf die Schnelle aufgefallen sind, es gibt sicher noch viele weitere, und wir alle haben noch persönliche Erfolge zu feiern – neue Freundschaften, das erste mal Aktionsbereich 0, 1, 2 oder 3, die erste Rede auf einer Aktion.
Neben den ganzen Erfolgen gab es auch ein paar Dinge, die nicht so gut funktioniert haben:
- Die Medienaufmerksamkeit war dieses Jahr nicht besonders hoch. Es gab einige sehr gute Artikel in den Berliner Zeitungen und tolle Reportagen aus persönlicher Sicht (beispielsweise in der FAZ), aber bundesweit kaum durchgehende Berichterstattung.
- Die Montags- und die Dienstagsaktion haben nicht wie geplant funktioniert. Statt einer Steigerung bezüglich der Störung und der Bildstärke der Aktionen über die drei Aktionstage hatten wir eher einen Abfall.
- Durch das deutlich schnellere und härtere Durchgreifen der Polizei konnten wir unsere Aktionen nicht mehr so lange halten. Außerdem haben wir die hohe Polizeipräsenz nicht genügend mit eingeplant.
Und vielleicht der wichtigste Punkt: Wieso waren wir nur 500 Rebellis und damit weniger als beim RiseUp im letzten Jahr oder nicht 6000 Rebellis wie noch 2019? Das hat meiner Ansicht nach vor allem drei Gründe.
- Mit der aus XR entstandenen Letzten Generation ist ein neuer Mitspieler aufgetaucht und viele Rebellis, die schon lange bei XR sind, bisher Rollen ausgefüllt oder ihre Ortsgruppen zusammengehalten haben, sind dorthin abgewandert. Es braucht Zeit und neue Menschen, um diesen Verlust an Wissen und Energie aufzufangen.
- Das RiseUp im letzten Jahr hat tiefe Narben bei vielen von uns hinterlassen. Der toxische Umgang miteinander, das Verhalten auf Aktionen, die übertriebenen Erwartungen und die ausbleibenden Erfolge haben zu großer Verunsicherung und Hoffnungslosigkeit geführt.
- Nach über drei Jahren Rebellion und der eskalierenden Klimakatastrophe spürte ich das ganze Jahr über hinweg viel Müdigkeit und Hoffnungslosigkeit innerhalb von Extinction Rebellion. Wir schafften es nicht mehr, für uns und die Rebellion zu begeistern und eine hoffnungsvolle Vision der Veränderung zu erzählen. Die Planung und Umsetzung der HerbstRebellion wurden von nur wenigen Menschen durchgeführt.
Wenn wir diese Schwierigkeiten miteinbeziehen, war die HerbstRebellion ein voller Erfolg! Gleichzeitig kann es nur ein Anfang gewesen sein, denn mit der geringen Größe und der fehlenden Medienaufmerksamkeit können wir langfristig nicht zufrieden sein. Doch ich bin zuversichtlich, dass wir jetzt wieder richtig durchstarten. Warum das?
Wenn wir uns die Gründe für die geringe Anzahl an Rebell:innen anschauen, fallen viele davon weg. Es werden nicht noch mehr Menschen wegbrechen, weil sie zur Letzten Generation gehen. Diejenigen, die gehen wollten, sind inzwischen weg. Die Narben vom RiseUp sind durch die tollen Geschichten der HerbstRebellion verheilt. Das Orga-Team der HerbstRebellion vertraut sich, mag sich und wird weiter zusammenarbeiten. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass viele durch die letzten Tage ihre Müdigkeit überwunden und wieder mehr Motivation und Vertrauen für und in XR haben. Mit dieser neu gewonnenen Kraft können wir andere Menschen von der Rebellion überzeugen. Schon in den letzten Wochen sind viele motivierte Menschen dazugekommen, die alle Verantwortung und Aufgaben übernehmen wollen. Wir haben das tiefste Tal durchschritten - es geht wieder aufwärts!
Doch natürlich wird das kein Selbstläufer. Was braucht es, damit wir bei der nächsten Wave im kommenden Frühjahr ein- bis zweitausend Menschen auf die Straßen bekommen?
- Wir finden früh einen Termin für die Wave im nächsten Jahr, hoffentlich bereits beim Bundesweiten Treffen im Oktober, damit viele sich Urlaub nehmen können und wir frühzeitig anfangen können zu mobilisieren.
- Wir erzählen eine positive Geschichte, wie wir uns die Veränderung vorstellen und dass alle mit XR Teil der Lösung werden können. Wir ändern unser Image und werden auch als fürsorglich, herzlich und lösungsorientiert wahrgenommen.
- Wir alle haben durch die HerbstRebellion die Kraft und die Motivation, mehr Menschen mit nach Berlin zu bringen und für die Rebellion zu überzeugen.
- Wir alle übernehmen Verantwortung und Aufgaben für die Rebellion.
- Wir binden motivierte Menschen mit ein und bauen bessere Strukturen auf, damit jede/r Rebelli eigenverantwortlich handeln und die Initiative ergreifen kann.
- Wir bauen widerstandsfähige Gemeinschaften auf, sodass wir langfristig alles für eine erfolgreiche Rebellion geben können, ohne dabei dauerhaft über unsere Grenzen zu gehen.
- Wir finden mehr Menschen, die Vollzeit für XR arbeiten und dafür ihr Studium ab-/unterbrechen oder ihre Lohnarbeit aufgeben. Das Bürgergeld bietet dafür bessere Voraussetzungen.
Es wird nicht leicht, aber wir können das schaffen. Eine bessere Welt ist möglich!
Bist du dabei? Über Feedback freue ich mich sehr (@dominik bei MM oder per Email an outreach@extinctionrebellion.de).