Wie ich zum Rebellen wurde.

Geschrieben von Jim am 28.08.2019

Ich bin ein Kind der 80er.

Das behauptete ich zumindest immer von mir selbst. Gut, ich bin `83 geboren und hab die Hälfte der 80er im sorglosen Kleinkindalter verbracht, aber auch die Zeit danach war vor allem eines: Sorglos.

Sicher, wir hörten auch damals von Atomkraft, von Protesten dagegen. Vom Umweltschutz. Ich mochte Natur. Ich spielte als Kind am liebsten draußen und ich mochte Tiere. Und Bäume. Und Blumen. Dass die geschützt werden müssen, da war man auch dafür. Auch in der Pubertät, als man sich noch um viele andere Dinge Sorgen machen musste. Aber für die Umwelt sammeln, das ging schon noch. Und Müll trennen – pah – kinderleicht. Damit ist doch schon viel erreicht. Den Rest macht die Politik schon. Die wissen ja, was sie tun und leben ja auf derselben Erde.

Dachte ich.

Wie gesagt, ich war sorglos in diesem Punkt.

Viel zu sorglos.

Und dann kam das Internet. Auf einmal bekamst du alles mit. ALLES.

Dann kamen die Sozialen Medien. Jetzt gab’s das ALLES auch noch live.

Und mit einem Mal wurde mir klar: Das bisschen, was ich als sorgloser Teenager getan hatte, war nicht mal die Ahnung eines Tropfens auf dem heißen Stein.

Aber man brauchte ja Geld für das Studium, dann einen Job, um sich zu ernähren und dann waren da noch tausend andere Dinge, die wichtig waren…

Und so vergingen die Jahre…

Aber man las immer mehr, begann nachzudenken und sich zu fragen: Ähm… Moment mal, benutzt irgendwer, der da oben was zu sagen hat, eigentlich nur mal fünf Minuten seinen gesunden Menschenverstand? Oder denkt man nur an die nächste Diätenerhöhung und die nächste Legislaturperiode? Ist dieses ganze System, das immer schneller und schneller läuft und immer mehr von einem fordert, nicht völlig übertaktet und einfach nur krank?

Und dann traf es einen mit voller Wucht: Ja, genau so ist es.

Und mir wurde klar, was all die Jahre, die ich vehement abgewehrt hatte, mit dem Argument: „Ja, ich gehe wählen, denn ich weiß zumindest, was ich NICHT will, aber sonst interessiere ich mich nicht für Politik“, an mir vorbeigegangen war.

Dann kam die AFD. Und die verbitterten Älteren, welche das Netz und besonders Facebook für sich entdeckten. Dagegen musste man aufstehen. Und das tat ich dann auch.

Aber egal wie viele Demos, wie viele Wortgefechte on- und offline, ich hatte immer und immer öfter das Gefühl, auf verlorenem Posten zu kämpfen.

Ich fühlte mich hilflos. Verzweifelt. gelähmt. Und es tat weh.

Dann kam 2018.

Ich hatte Sommer immer gemocht. Ich liebe Wasser, liebe sonnige, warme Tage, an denen man morgens schon weiß, heute Nachmittag liege ich im Schwimmbad und genieße mein Leben.

Das war kein Sommer mehr.

Und meine Frau, selbst ein Aspie, zeigte mir eines Tages in dieser Hitzehölle 2018 ein Foto und einen Bericht über eine junge Schwedin, ein sechzehnjähriges Mädchen, das sich ganz allein vor das schwedische Parlament setzte.

Ich las den Bericht. Und noch viele weitere. Ich suchte nach Quellen, ich abonnierte Seiten und ich verfolgte Greta Thunbergs Weg mit Bewunderung.

Ich verfolgte die Bewegung Fridays for Future mit Stolz. Und mit Scham. Ich schämte mich entsetzlich dafür, dass diese Kinder und Jugendlichen die Aufgabe erfüllten, die wir, die Kids der 90er – ach, was sag ich – der 80er schon hätten anpacken müssen.

Ich lebe zwar die meiste Zeit vegetarisch oder vegan, fahre kein Auto, weil ich zu schlecht sehe, aber das war mir ab diesem Moment nicht mehr genug. Ich wollte mehr tun. Als Nerd und Musiker fahre ich viel auf Conventions. Ich versuchte, auch dort mal das Umweltbewusstsein anzuregen und auf die Plastikflut durch Tüten, Plastikteller und -besteck aufmerksam zu machen. Aber das war mir immer noch zu wenig.

Parents for Future? Ich habe keine Kinder, ergo fühlte ich mich da nicht wirklich angesprochen.

Und dann las ich von Jugendlichen, die sich mit Schlössern an das Rathaus von Leipzig gekettet hatten. Unter dem Hashtag 5nach12. Sehr passend. Und ich las von Extinction Rebellion.

Eine friedliche Rebellion…

Als riesiger STAR WARS- Fan fand ich das Imperium zwar immer toll, aber im echten Leben stehe ich dann doch eher auf der Seite der Rebellen.

Also wusste ich, was ich zu tun hatte.

Meinen Mut zusammennehmen und den Hintern hochbekommen. Meine Komfortzone verlassen und die Bequemlichkeit abschütteln. Eben nicht nur in meinem Wohnzimmer der Held sein, der ich schon als Kind immer sein wollte. Sondern auch draußen, im echten Leben.

Also schrieb ich meine Ortsgruppe von XR an. Was soll ich sagen: die Rebellion empfing mich mit offenen Armen.

Jeder kann ein Held sein. Und ein Rebell. Jetzt.

ACT NOW! JOIN THE REBELLION! REBEL FOR LIFE!

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