Der Green New Deal für Europa ist ein Investitionsprogramm der paneuropäischen Partei Democracy in Europe Movement 2025 (DiEM25). Dieses Programm beinhaltet eine Grundlage für eine dekarbonisierte nachhaltige Wirtschaft und stellt ein alternatives tiefgreifendes Vorgehen zu dem offiziellen - sehr ähnlich klingenden - Programm der EU-Kommission The European Green Deal dar.
Wir müssen eine Wirtschaft etablieren, in der wir die Treibhausgas-Emissionen reduzieren, ohne Massenarbeitslosigkeit auszulösen. Einfach auf Ökostrom umzustellen wird das Problem der Emissionen nicht lösen. Die EU will Gas und Kernenergie als „grün“ bezeichnen. Eine echte Verpflichtung zur Reduzierung der Emissionen und nachhaltige Sicherheit wird ihrerseits in dem Plan der EU „The European Green Deal“ nicht gezeigt. Die Eliten begreifen es nicht, dass fast jedes Produkt, das man konsumiert, einen Treibhausgasfußabdruck hat: von der Extraktion der Rohstoffe bis zur Herstellung und dem Transport des Produktes. Sie glauben an unendliches Wachstum überall auf der Welt, egal wie umweltschädlich. Wir müssen insgesamt unseren ganzen Energieverbrauch reduzieren, und das heißt im Grunde, die Wirtschaft muss geschrumpft werden. Und die schlechte Nachricht ist: Es wird nicht genug Ökostrom für Elektroautos geben.
Wie gehen wir diese Probleme an? Ein Green New Deal ist ein Paket von umfangreichen Maßnahmen, die wir anstreben können. Hauptziele dieses Investitionsprogramm sind:
- Unsere Wirtschaft von fossilen Brennstoffen entkoppeln
- Biologische Vielfalt fördern
- Arbeitsplätze schaffen
Unser aller Lebensstandard erhöht sich durch gut bezahlte, sinnvolle Jobs, durch Verbesserungen in vielen Bereichen, wie dem öffentlichen Nahverkehr, Luftqualität, Bildung, Ernährung, preisgünstigen und energieeffizienten Wohnungen, Zugang zur Natur und mehr Freizeit. Um dies zu gewährleisten, können wir uns nicht zurücklehnen und erwarten, dass die privaten Finanzierenden und Banken die richtigen Investitionen im Interesse der Allgemeinheit tätigen werden. Ihnen geht es nur um Gewinn, egal wie umweltschädlich. Wir müssen unsere Regierungen fördern und die Gewerkschaften stärken, um diese Maßnahmen durchzusetzen. Nur mit einem großen Einsatz des Staates erreichen wir diese Ziele, und deswegen müssen wir Druck aufbauen.
Wie das Konzept des Green New Deals entsteht
Mitte der 2000er Jahre entwickelten Ökonom:innen und Umweltschützer:innen in den USA und Großbritannien den Green New Deal. Die Inspiration kam vom amerikanischen New Deal der 1930er Jahre unter Präsident Roosevelt – ein groß angelegtes staatliches Investitionsprogramm zur Unterstützung von Wirtschaft und Gesellschaft während der Wirtschaftskrise. Infrastrukturprogramme brachten Elektrizität in ländliche Gebiete, es wurden Schulen und preisgünstige neue Wohnhäuser gebaut, Straßen und Brücken verbessert, Agrarböden renaturiert und über 2,3 Milliarden Bäumen gepflanzt.
2018, nach der Veröffentlichung des IPCC-Berichts, welcher feststellte, dass der durch Menschen verursachte Temperaturanstieg unter 1,5 Grad gehalten werden sollte, bekam der Green New Deal eine große Dringlichkeit als gemeinsames gesellschaftliches Projekt zur Bekämpfung der immer größer werdenden sozialen Ungleichheit und Armut und der Krise der Demokratie. Bürger und politische Parteien weltweit fordern seither einen Green New Deal.
Die drei Bausteine des Green New Deal für Europa
Die Grundlage des Deals besteht aus drei Bausteinen:
- Programm für „Grüne Öffentliche Investitionen“ (GIN)
- Gesetzgebung (die Umweltunion)
- Kontrolle (Kommission für Umweltgerechtigkeit)
Damit wird der Weg hin zu einer gerechten sozial-ökologischen Wende Europas unter demokratischer Beteiligung der Bevölkerung aufgezeigt. Durch massive Investitionen wird GIN die Dekarbonisierung der Wirtschaft und den gerechten Wandel in Europa unmittelbar in Gang setzen. Der zweite Baustein, die Umweltunion, ist ein Paket von Verordnungen zur Anpassung der EU-Politik an den wissenschaftlichen Konsens, um die Grundsätze von Nachhaltigkeit und Solidarität im europäischen Recht zu verankern. Drittens bildet die Kommission für Umweltgerechtigkeit ein unabhängiges Gremium zur Erforschung, Überwachung und Beratung von EU-Politiker:innen, um die Belange der Umweltgerechtigkeit weltweit voranzubringen.
Grüne Öffentliche Investitionen (GIN)
Die grünen öffentlichen Investitionen (GIN) sollen durch grüne Anleihen der Europäischen Investitionsbank finanziert werden. Anleihen ermöglichen das Bereitstellen von Geld, ohne dass EU-Vorschriften verletzt werden, da diese einen Deckel der Staatsaufgaben festlegen. Die Ziele des Investitionsprogramms sind:
- Neuausrichten der europäischen Wirtschaft: weg von der rein privaten Vermögensanhäufung, hin zur ökologischen Nachhaltigkeit
- Abkehr vom Modell der öffentlich-privaten Partnerschaft und sicherstellen, dass der Ertrag öffentlicher Investitionen in öffentlicher Hand bleibt
- Massives Verringern des Energiebedarfs durch integrierte Wohn- und Verkehrsmittelstrategien
- Fördern öffentlicher Übernahme von Versorgungsunternehmen in den EU-Mitgliedsstaaten und Bürgerenergiegenossenschaften
- Finanzieren eines großen Rückkaufprogramms für leerstehenden Wohnraum
- Sanieren und Nachrüsten von bestehendem Wohnungsbestand im Hinblick auf Nachhaltigkeit
- Schaffen eines gesamteuropäischen Mobilitätsfonds, der jeder Region Europas Zugang zu schnellen, sauberen und kostengünstigen Verkehrsmitteln ermöglicht
GIN ist nicht nur ein Investitionsplan, sondern auch ein Mittel zur Wiederbelebung der Demokratie. Die Kommunen sollen gestärkt und Investitionsentscheidungen auf nationale, regionale und kommunale Ebenen übertragen werden, wo Bürger:innenversammlungen aktiv mitwirken. GIN-Mittel werden nur an private Unternehmen vergeben, die die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Ziele Europas voranbringen. Die ländlichen Regionen sollen gestärkt werden.
Die Umweltunion
Die Umweltunion ist ein Gesetzespaket, das für eine Neuausrichtung der europäischen Politik auf der Basis des wissenschaftlichen Konsenses hinsichtlich der Klima- und Umweltkatastrophe sorgt, so dass Europa beim grünen Wandel weltweit eine Führungsrolle übernimmt. Einige der Kern-Politikmaßnahmen für den Aufbau der Umweltunion sind u. a.:
- Kommunalisieren der Energieinfrastruktur
- Sanktionieren von fossilen Brennstoff-Investitionen
- Einführen einer Steuer auf Umweltschäden und einer Finanztransaktionssteuer zur Generierung von Mitteln, mit denen die am stärksten von der Klima-und Umweltkrise betroffenen Regionen unterstützt werden.
- Einführen von Gesetzen zur Schließung von Steueroasen
- Stärken der Regulierungsaufsicht über multinationale Banken, die im globalen Süden tätig sind
- Unterbinden von umweltschädlichen Produktionsprozessen über Lieferketten innerhalb und außerhalb Europas
- Verankern von „Ökozid“ im Gesetz
Die Kommission für Umweltgerechtigkeit (KfU)
Die Kommission für Umweltgerechtigkeit ist das oberste internationale Gremium, das dafür sorgt, dass der grüne Wandel gerecht verläuft. Die Struktur der KfU zielt darauf ab, Legitimität, Demokratie und Autorität zu gewährleisten:
● internationale Gerechtigkeit,
● intersektionale Gerechtigkeit
● generationenübergreifende Gerechtigkeit.
Die Klimakrise ist global, doch ihre Auswirkungen sind nicht gleichmäßig verteilt. Die ärmeren Länder tragen am wenigsten zu den Ursachen bei, zahlen aber oft den höchsten Preis bei den Auswirkungen. Der Bereich der internationalen Gerechtigkeit der KfU zielt darauf ab, den Zusammenhang zwischen EU-Politik und ungleich verteilter Umweltzerstörung zu bewerten.
Der intersektionale Bereich der KfU beschäftigt sich mit der Ungleichheit, die der Klimawandel verschärft, nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb der Länder. Dieser Bereich der KfU erstreckt sich unter anderem auf die Bereiche Gesundheit, Arbeit, Bildung und Mobilität. In jedem davon identifiziert sie die Hindernisse für gerechte Verteilung, Anerkennung und Partizipation. Die KfU wird auch untersuchen, wie Europa seiner Verantwortung für seine historische Rolle bei der Ausbeutung von Bodenschätzen im globalen Süden nachkommen kann – insbesondere, indem sie das bestehende Instrumentarium der EU zur Opferentschädigung bei Klimaschäden erweitert.
Der generationsübergreifende Bereich der KfU wird prüfen, wie Europa zukünftigen Generationen gerecht werden kann, die diesen Planeten erben werden. Insbesondere wird die KfU die europäische Wirtschafts- und Umweltpolitik und ihre möglichen Auswirkungen auf künftige Generationen bewerten. Die KfU wird die explizite Verankerung eines Rechtsanspruchs für zukünftige Generationen auf angemessene Umweltpolitik in Betracht ziehen. Und sie wird Vorschläge machen, wie bei Investitionsentscheidungen die Benachteiligung künftiger Generationen minimiert werden kann.
Der Green New Deal für Europa versus The European Green Deal
Der offizielle „Green New Deal für Europa“-Bericht wurde 2019 fertiggestellt. Im selben Jahr hat die EU-Kommission The European Green Deal angekündigt. Diese beiden Pläne sind nicht zu verwechseln, obwohl sie sehr ähnlich klingen! Der GNDE ist eine Art gesellschaftlicher Vertrag, der öffentliche Investitionen mobilisiert, um öffentlichen Wohlstand zu generieren. The European Green Deal kann dagegen als ein Wachstumsprojekt betrachtet werden, der ermöglicht, dass private Investor:innen die Erträge der Transition zu einer dekarbonisierten Wirtschaft ernten.
Trotz der Schwächen des European Green Deals ist es nicht zu leugnen, dass die Ziele ein großer Fortschritt sind. Eine Reduzierung aller Treibhausgase um 55% bis 2030 und Null-Emissionen bis 2050 sind Ziele, die völlig im Einklang mit den IPCC-Zielen sind. Nichtsdestotrotz sind diese Verpflichtungen kein Plan für eine echte faire und nachhaltige Ökonomie. Die EU verspricht 1,1 Billionen Euro für eine Transition zu einer treibhausgasarmen Wirtschaft. In Wirklichkeit ist diese Summe zur Bekämpfung des Klimawandels nicht größer als ein typisches siebenjähriges EU-Budget. Nur die Hälfte (500 Milliarden Euro) sollen aus dem EU-Budget kommen, den Rest sollen private Investitionen bereitstellen, die neue Anreize für Geschäftsmöglichkeiten bekommen werden.
Im Gegensatz dazu haben die Verfasser des GNDE ein viel größeres Budget von 4,1 Billionen Euro eingeplant. Der GNDE sieht vor, dass statt privaten Investor:innen die öffentlichen Banken unter der Führung der Europäischen Investitionsbank in Anspruch genommen werden. Das heißt, die Erträge von Investition in die sozial-ökologische Wirtschaft bleiben in öffentlichen Händen und werden nicht von Privatinvestor:innen abgeschöpft. Die Erträge können wieder investiert werden, z. B. in die Verbesserung der Infrastruktur, in die Gesundheits-und Bildungssystemen oder zur Kostensenkung beim öffentlichen Nahverkehr, in höhere Löhne und preisgünstige Mieten.
Eine andere Schwäche des „European Green Deals“ ist, dass Lobbyist:innen der fossilen Brennstoff-Industrie viel Einfluss auf den The European Green Deal ausüben konnten und die Gewerkschaften und Aktivist:innen während des Entwicklungsprozesses übergangen wurden. Ein Green New Deal wie der „US New Deal“ in den 1930ern versucht, die Arbeiter:innen, Gemeinden und die Gesellschaft zu einigen und gleichzeitig die Umwelt zu schützen.
Darüber hinaus hebt der „European Green Deal“ die gemeinsame EU-Agrarpolitik nicht auf und stellt damit keine echte Verpflichtung zu einer gerechten, nachhaltigen Wirtschaft dar. Riesige Subventionen gehen an eine Minderheit von Landbesitzenden, die so noch mehr Land akkumulieren können, zum Nachteil der EU-Kleinbauern und -bäuerinnen und zur Ausbreitung der umweltschädlichen industrialisierten Landwirtschaft. EU-Produkte, die mit hohen C02-Emissionen verbunden sind – wie z. B. Fleisch- und Milchprodukte - überfluten die Märkte von Entwicklungsländern, deren Landwirtschaft Betreibenden mit den niedrigen subventionierten Preisen der EU nicht konkurrieren können.
Ein weiteres grundlegendes Defizit des „European Green Deals“ ist, dass er sich nicht mit der herrschenden politisch-wirtschaftlichen Ordnung, welche den Klimawandel und die wachsende Ungleichheit fördert, auseinandersetzt.
Weitere Informationen findet ihr hier:
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