Warum wir ein Ökozidgesetz brauchen

Geschrieben von Alexander Neef am 26.10.2020

Am 07. Oktober gab es eine Aktion rund um das Regierungsviertel in Berlin. Dort haben wir die Bundeskanzlerin und den Bundestag dazu aufgefordert, Ökozid national wie international strafbar zu machen. Dieser Text soll erklären, wieso wir ein Ökozidgesetz brauchen und wie ein solches mit unseren anderen Forderungen zusammenhängt.

Foto: Falko

XR-Aktion am 7.10.2020 im Regierungsviertel, Berlin

Ein Ökozid ist die massive Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen.

Der Schiffbruch der Wakashio – Ökozid vor der Küste von Mauritius

Ende Juli 2020. Die Wakashio, ein großes Frachtschiff der japanischen Reederei Nagashiki Shipping Co., erleidet vor der Küste von Mauritius Schiffbruch. Hunderttausende Liter Erdöl landen in den geschützten Küsten-Ökosystemen Île aux Aigrettes und Blue Bay Marine Park. Wenig später treiben tote Wale an Land, in Fischen werden Arsenwerte nachgewiesen, die den Grenzwert um ein Fünffaches übersteigen. Die hohe Arsenbelastung führt zum Zusammenbruch der Fischerei in der Stadt Mahébourg, die in direkter Nähe der Wakashio liegt. Die Fischerei ist der Hauptwirtschaftszweig in Mahébourg, von ihr hängt alles andere ab. Damit trifft der Schiffbruch die ganze Bevölkerung mit voller Wucht.

Die Havarie der Wakashio führte zu einer massiven Zerstörung der Ökosysteme von Mauritius und ist damit ein Ökozid. Aber wer ist verantwortlich? Wen können die Einwohner auf Schadenersatz verklagen?

Unzureichendes Rechtssystem

Die bisherige Reaktion der Reederei spricht Bände: Sie entschuldigte sich für das Unglück, sagt aber, Hilfszahlungen werde es nicht geben. Stattdessen muss die einheimische Bevölkerung in kräftezehrender Arbeit den teils irreversiblen Schaden selbst eingrenzen.

Der Fall der Wakashio zeigt, wie unzureichend unser Rechtssystem ist, um Ökozide zu verhindern. Bisher verlässt man sich auf die Selbstregulierung der Industrie, anstatt Gesetze zu schaffen, die die Verursacher:innen zur Rechenschaft ziehen würden. Dabei liegt eine Lösung auf der Hand: Am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag müssen die Täter des Ökozids angeklagt werden können. Die Abschreckungswirkung eines solchen Prozesses und der folgenden Strafen hätte einen transformativen Einfluss auf die Art und Weise, wie international gewirtschaftet wird. Denn: Das Machtungleichgewicht, das momentan zwischen Verursachern und Leidtragenden besteht, würde ausgeglichen werden. Zum Beispiel bewahren indigene Gruppen, die weniger als 5 % der Weltbevölkerung ausmachen, heute 80% der Weltbiodiversität. Mit einem Ökozidgesetz bekämen sie gemeinsam mit lokalen Gemeinden und Minderheiten in ländlichen Regionen überall auf der Welt rechtliche Mittel, um gegen mächtige multinationale Player vorzugehen.

Der Zusammenhang mit den Forderungen von XR Deutschland

Die Forderung nach einem Ökozidgesetz beinhaltet zwei zentrale Aspekte, die in engem Zusammenhang mit unseren Forderungen stehen.

"Sagt die Wahrheit!"

Zum einen würde sich die Sprache ändern, die wir verwenden, um über Umweltzerstörung zu reden. Bisher wird bei Schiffbrüchen oft von “Unglücken” gesprochen, bei Waldrodungen von “Rechtsstaatlichkeit”, beim Abbau von Ölsand von “zukunftssichernden Wirtschaftsfaktoren”. Ein Ökozidgesetz würde es ganz offiziell erlauben, die Taten als das zu bezeichnen, was sie sind: Verbrechen gegen den Frieden. Damit würden wir die Wahrheit sagen über die momentan legale Ausbeutung und Zerstörung unserer Lebensgrundlagen.

"Handelt jetzt!"

Zudem wäre die Einführung eines Ökozidgesetzes in Deutschland ein klares Zeichen seitens der Regierung, dass sie bereit ist, jetzt zu handeln.

„Das Artensterben muss gestoppt werden und der ökologische Raubbau mit allen Mitteln eingedämmt und – wenn möglich – wieder rückgängig gemacht werden.“ - Dies ist eine unserer zentralen Forderungen. Wenn wir diese Forderung ernst nehmen, bleibt uns nichts anderes übrig als den Raubbau selbst zu kriminalisieren. Damit würden wir unserem Wunsch ein gutes Stück näher kommen, dass es in Zukunft das zentrale Ziel der Gesellschaft ist, „Klima und Ökosysteme der Erde so zu stabilisieren, dass sie allen Menschen und allen Arten ein sicheres Zuhause bieten“.

Es gibt auch eine Petition, die ein Ökozidgesetz fordert. Bisher haben bereits mehr als 40.000 Menschen unterschrieben. Teilt die Petition weiter und redet über das Thema mit euren Freund:innen. Wenn Ihr die Arbeit am Ökozidgesetz mit mehr als einer Unterschrift unterstützen möchtet, könnt Ihr euch bei juserviervorschlag@riseup.net melden.

International engagiert sich seit langer Zeit die Kampagne Stop Ecocide für die Einführung des Ökozids als Verbrechen gegen den Frieden am International Strafgerichtshof in Den Haag.

Wer mehr zum Ökozid in Mauritius erfahren möchte und auch darüber, wie es nach so einem Unglück weitergeht für die Einwohner:innen, folgt am besten dem #MauritiusOilSpill Newsletter von Khalil Cassimally und Ariel Samandi: https://mauritius.substack.com/. Khalil hat für die Aktionen auch eine Rede geschrieben, die am Brandenburger Tor verlesen wurde und auch in seinem Newsletter zu finden ist.

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