Wald statt Asphalt!

Geschrieben von Britta Pohlmann am 02.10.2020

Ein Bericht aus dem Dannenröder Wald

Foto: Greenpeace

Im Dannenröder Wald, September 2020

Am 1. Oktober hat die Räumung des Dannenröder Waldes begonnen. Britta Pohlmann ist entsetzt. Wenige Tage davor hatte sie den „Danni“ besucht und mit Menschen gesprochen, die sich gegen die Abholzung wehren. Hier ihre Eindrücke vom 27. September 2020.

Ich sitze im Zug und lese das Buch ,,Das geheime Leben der Bäume“ von Peter Wohlleben. Darin steht z. B., dass ein im Mittelalter gepflanzter Wald nicht dieselbe Qualität hat wie ein alter Urwald. Einfach deshalb, weil die Kleinstlebewesen im Boden fehlen. Und dort steht auch, wie alt Bäume werden können. Eine Fichte in Nordschweden ist z. B. 9.500 Jahre alt!

Ich schaue aus dem Fenster. Was für eine schöne Landschaft! Sanft geschwungene Hügel, kleine Bäche, tiefgrüne Wiesen und Wald. Viel Wald, soweit das Auge reicht. Ich kann mich kaum von dem Anblick losreißen. Wie schön Hessen ist!

Der Ort, in dem ich aussteige, ist allerdings ein echtes Kontrastprogramm. Eine einzige Bausünde aus den 1980er oder 1990er Jahren. An der Straße steht ein kleiner Tisch mit dem Plakat der Bürgerinitiative gegen den Bau der A 49. Ein freundliches grauhaariges Paar zeigt den zugereisten ,,Dannibesucher:innen“ den Weg.

Die beiden erzählen mir, dass die Situation hier schon viel schwieriger ist als vor zwei Jahren im „Hambi“ (Hambacher Forst). Schon rein logistisch. Sie sind hier so abgelegen, und dann wissen ja immer noch viel zu wenige, was hier los ist. Dass dieser uralte Wald einfach gefällt werden soll für eine Autobahn! Und das Schlimme ist, dass die Politik es auf dem Rücken der jungen Leute austragen wird, also den Waldbesetzer:innen. Zum Abschied schenkt mir die Frau eine Maske mit dem Logo der Bürgerinitiative. Ich schließe mich drei jungen Frauen aus Mainz an. Sie machen einen Sonntagsausflug in den Danni und wollen einfach mal wissen, was da los ist.

Wir radeln durch diese wunderschöne Landschaft und dann in den Wald. Da tauchen die ersten Blockaden auf: Tripods, Seilkonstruktionen und Baumhäuser. Und immer wieder Barrikaden. Landfrauen mit einem Blech Apfelkuchen kommen vorbei. Alles wirkt recht familiär. Nur bei manchen Waldbesetzer:innen ist eine gewisse Spannung zu spüren.

Auf dem Camp angekommen, gerate ich plötzlich mitten in eine heftige Diskussion. Eine Grüne vom hessischen Landtag wurde gerade von einem Journalisten interviewt. Ein Mann munkelt, er sei von der FAZ. Die Politikerin sagt: „Uns sind doch die Hände gebunden!“ Ihr Kontrahent ist wirklich sauer: „Ich habe nicht die Grünen mit gegründet, damit hier sowas passiert … Ihr tut zu wenig! (…) Wenn es ein Moratorium gibt auf Landesebene, bis das Gutachten zu dem Trinkwasser durch ist, und dann erst einmal nichts passiert, dann sind wir wirklich einen Schritt weiter! Der geplante Trassenbau für die A 49 gefährdet die Trinkwasserversorgung für die Region.Und ihr tut nicht genug! Wenn die Koalition wegen der A49 platzt, dann kann das hier nochmal neu verhandelt werden! Und ich möchte die Partei sehen, die in Zeiten des Klimawandels und des dritten Dürresommers diesem Wahnsinnsprojekt noch zustimmt!“

Er ist stinkesauer. Die Abgeordnete antwortet mit den üblichen Politikerworthülsen. Der wütende Mann zitiert Habermas und sagt: „Ziviler Ungehorsam ist für eine lebendige Demokratie existenziell notwendig.“ Dann dreht er sich weg, und ich sehe ein XR-Symbol auf seinem Rucksack und muss grinsen. Und mir wird klar: Hier im Dannenröder Wald geht es um die Glaubwürdigkeit der Grünen an sich. Wenn sie es zulassen, dass diese Autobahn gebaut wird, haben sie ihre Glaubwürdigkeit verspielt.

Auf der Hauptbühne spielt die Band „Strom & Wasser“. Das Lied handelt von Kindern, die Erwachsene verkloppen für das, was gerade geschieht - oder auch gerade nicht geschieht.

Jetzt spricht Barbara Schlemmer vom Bündnis „Wald statt Asphalt“. Das Mikrofon ist leider etwas übersteuert und daher die Stimme etwas schrill. Aber das ist egal. Die Rede ist einfach umwerfend. Hier ein kleiner Auszug:

,,Wenn man jetzt das Projekt A49 stoppen würde, müsste der Staat Deutschland 300.000 Euro Konventionalstrafe zahlen. Ja, da sag ich: Ja, und? Was sind denn 300.000 gegen das, was das Ding jetzt schon kostet? Die Kostensteigerung ist jetzt schon das Doppelte. Von 575 Millionen auf 1,45 Milliarden. Und das ist ja garantiert nicht der Rest. Wir können froh sein, wenn wir da bei 2 Milliarden rauskommen! Und dafür einen gesunden Wald zu zerstören und ein Wasserschutzgebiet, das sind 2 Milliarden zu viel!!

Dann sagt sie zum Thema Gewalt: „Es ist in der letzten Zeit viel über Gewalt geschrieben worden. Wir lehnen Gewalt als Mittel ab. Das muss ich nicht ständig betonen. Aber was ich betonen möchte, ist: Carola Rackete, die sich angekündigt hat, diesen Wald zu besuchen, hat zum Thema Klima- und Naturschutz folgendes gesagt: 'Die eigentliche Gewalt findet ja im Angriff auf unsere Lebensgrundlagen statt. Was kann denn gewalttätiger sein, als gegen die Lebensgrundlagen von Menschen vorzugehen? Gegen das Wasser. Gegen die saubere Luft. Das hat doch zur Folge, dass Menschen krank werden, dass sie sterben. Das sind doch Dinge, die gegen unsere Grundrechte gerichtet sind. Das ist doch die eigentliche Gewalt.' - Und Menschen zu kriminalisieren, die ihre Grundrechte verteidigen, das ist eine Strategie (auch teilweise der Presse), die wir hiermit vollkommen verurteilen!“

Jetzt geht der Waldspaziergang los. Ich plaudere etwas mit einem Skilltrainer aus dem Hambi. Er ist völlig vermummt. Er ist nicht ganz so pessimistisch wie die Frau von der Bürgerinitiative am Bahnhof: ,,Der Wald ist groß! Und es wird fleißig gebaut! Und es werden mehr …Ich nehme an, sie werden ab dem 1. Oktober räumen und dann gleichzeitig fällen. Also Fakten schaffen ... aber das geht nur langsam ... Salamitaktik ...“. Er lacht. - "Und es wird fleißig gebaut! Und es werden mehr.".

Ich laufe den letzten Menschen vom Waldspaziergang hinterher. Ein kleiner Junge zeigt auf einen kleinen Baumstamm, der auf dem Weg liegt und sagt: „Die Barrikade habe ich gebaut!“ Seine Oma grinst verschwörerisch.

Endlich habe ich die letzten Waldspaziergänger:innen erreicht. Es sind junge Leute, die zusammen in einer Hausgemeinschaft aus Marburg leben. Sie besuchen befreundete Waldbesetzer:innen in ihrem Barrio und sind auf dem Weg zum Videodreh für die Band „Strom & Wasser“. Ich schließe mich ihnen an. Der Dreh findet auf einer Wiese mitten im Wald statt. Auf dieser Wiese sollte ein Parkplatz für Polizeiautos gebaut werden. Das konnte durch Sitzstreiks erfolgreich verhindert werden.

Jetzt steht auf der Wiese eine bizarre Barrikadenburg. Mitten im Schlamm. Einen Teil der Wiese wurde schon weggebaggert. Wir tanzen als Statisten auf der Burg und im Schlamm. Eine schöne, absurde Szene.

Auf dem Rückweg kommen wir an vielen verschiedenen Baumhäusern vorbei. Überall wird gehämmert und gebaut. Waldspaziergänger:innen packen mal eben an und helfen, schwere Balken und Stämme zu tragen. Schweißtropfen stehen ihnen auf der Stirn. Der Balken ist nicht aus Holz, sondern aus Beton und unglaublich schwer

Als ich aus dem Wald herauskomme, höre ich eine ältere Männerstimme singen. Der Mann steht alleine auf der großen Bühne und spielt Gitarre. Nur ein paar Menschen sitzen auf einer Bierbank. Wolf Biermann singt in einem Lied: ,,Wartet nicht auf bessre Zeiten …“. - Ich denke: Ja. Es stimmt immer noch. Und es ist dringlicher, denn je!

Leute, kommt in den Danni!

UNTERSTÜTZT DEN WIDERSTAND GEGEN DEN BAU DER A 49!

REBELLIERT GEGEN DIE ZERSTÖRUNG UNSERER LEBENSGRUNDLAGEN!

Ab dem 5. Oktober geht das auch von Berlin aus.

Seid dabei!

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