No climate justice without open civic spaces

Geschrieben von Manon Gerhardt am 25.10.2022

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Zur COP 27 in Ägypten

Vom 6. bis 18. November treffen sich tausende Delegierte aus aller Welt im ägyptischen Sharm el-Sheikh zu einer weiteren Konferenz, der COP 27, um über die notwendigen Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise zu beraten. Aber es steht zu befürchten, dass wieder überwiegend „Blah, blah, blah“ ausgetauscht werden wird, wie es Greta Thunberg 2021 treffend auf den Punkt brachte. Wenig mehr als leere Absichtserklärungen anstelle von verpflichtenden Maßnahmen-Paketen. Zudem stellt sich die Frage, wie sich die Vertreter:innen der demokratischen Staaten gegenüber der Regierung des Gastgeber-Landes, einer de facto repressiven Diktatur, verhalten werden.

Angeführt von General Abdel Fattah el-Sisi, der 2013 durch einen Militärputsch an die Macht kam und sich seitdem durch Scheinwahlen an der Macht hält, ist das ägyptische Regime laut Menschenrechtsorganisationen eines der brutalsten und repressivsten der Welt. Schätzungsweise 60.000 Regimegegner leiden aktuell unter den katastrophalen Zuständen und nachgewiesen barbarischen Foltermethoden in den Gefängnissen. Eine unabhängige Presse gibt es nicht mehr. Proteste auf der Straße erst recht nicht. Das Teilen eines kritischen Facebook-Posts reicht aus, um für Jahre hinter Gittern zu verschwinden.

Auf der COP 27 wird dieses Jahr vor allem diskutiert, welche Maßnahmen nötig sind, um die Bevölkerung der am stärksten von den Auswirkungen der Klimakrise betroffenen Länder zu schützen. Und wer dafür bezahlen muss.

Die Debatte ist notwendig, und dieser Gipfel wichtig.

Aber wie kann in einem Land über Klimaschutz-Maßnahmen beraten werden, ohne dass Vertreter:innen der Zivilgesellschaft die Chance haben, ihre Position zu vertreten? Kritische Stimmen am Kurs der Regierung wird es in den offiziellen ägyptischen Medien nicht geben. Und auf der Straße erst recht nicht.

Im Gegenteil: Der Gipfel wird dem Diktator eine Bühne bieten, sich als Verteidiger des afrikanischen Kontinents aufzuspielen.

Sisi hat beschlossen, den Gipfel zu nutzen, um eine neue Art von Reality-Show zu inszenieren, in der Schauspieler Aktivisten "spielen", die den tatsächlichen Aktivist:innen, die in seinen Gefängnissen unter Folter leiden, verblüffend ähnlich sehen. Dieser Gipfel ist Greenwashing für einen Polizeistaat.

Die internationalen Delegierten können im Vorfeld des Gipfels nicht einmal viel über die aktuelle Umweltverschmutzung und -zerstörung in Ägypten in akademischen oder NGO-Berichten nachlesen, da ein drakonisches Gesetz aus dem Jahr 2019 vorschreibt, dass Forscher:innen eine Genehmigung der Regierung einholen müssen, bevor sie Informationen veröffentlichen dürfen, die als "politisch" gelten. Es sind nicht nur Gefangene, die geknebelt werden: Das ganze Land ist geknebelt, und Hunderte von Websites sind blockiert, darunter auch die bekannte Mada Masr.

Im Gegensatz zu allen anderen Klimagipfeln der jüngeren Vergangenheit wird es bei diesem Gipfel keine echten lokalen Partner geben.

Im Bericht von Human Rights Watch wird aufgezählt, was alles nicht berichtet werden darf. Dort heißt es:

"Die heikelsten Umweltthemen sind solche, die auf das Versagen der Regierung hinweisen, die Rechte der Menschen vor Schäden durch Unternehmensinteressen zu schützen, einschließlich Fragen der Wassersicherheit, der industriellen Verschmutzung und der Umweltschäden durch Immobilien, Tourismusentwicklung und Agrarindustrie. Die Umweltauswirkungen von Ägyptens umfangreichen und undurchsichtigen militärischen Geschäftsaktivitäten wie zerstörerische Formen des Steinbruchs, Wasserabfüllanlagen und einige Zementfabriken sind besonders heikel, ebenso wie 'nationale' Infrastrukturprojekte wie eine neue Verwaltungshauptstadt, von denen viele mit dem Büro des Präsidenten oder dem Militär verbunden sind." Nicht zu vergessen die Plastikverschmutzung und den übermäßigen Wasserverbrauch durch Coca-Cola. Der Konzern ist einer der stolzen offiziellen Sponsoren des Gipfels.

Das sind die Bedingungen vor Ort.

Aber leider beweist auch Deutschland wenig moralisches Rückgrat in der Kommunikation mit Sisis totalitärem Staat:

Die Co-Vorsitzende der Grünen und Außenministerin unseres Landes, Annalena Baerbock, hatte bei ihrem Amtsantritt eine neue "wertebasierte Außenpolitik" angekündigt - eine Politik, die Menschenrechten und Klimafragen Vorrang einräumen würde.

In ihrer aktuellen Rede bei der deutsch-belgischen Konferenz am 18.10. sprach sie wieder davon: „Klimapolitik ist im Kern auch Außenpolitik.“

Deutschland ist einer der wichtigsten Geldgeber und Handelspartner Ägyptens und könnte daher, wie auch Großbritannien, einigen Einfluss nehmen. Doch statt die Einhaltung von Menschenrechten einzufordern, hat Baerbock Sisi durch die gemeinsame Ausrichtung des "Petersberger Klimadialogs“ im Juli in Berlin auch noch ein Bühne geboten, bei dem sich der rücksichtslose Diktator als “grüner Führer” präsentieren konnte.

Und jetzt, da Deutschland von russischem Gas unabhängig werden muss, positioniert sich Ägypten natürlich eifrig als neuer Partner, um Gas und Wasserstoff zu liefern. In der Zwischenzeit hat der deutsche Gigant Siemens Mobility einen "historischen" Multimilliarden-Dollar-Vertrag über den Bau elektrifizierter Hochgeschwindigkeitszüge in Ägypten angekündigt. Hier werden dicke Geschäfte gemacht und Energielücken gefüllt, aber auch ägyptisches Gas ist nicht „sauber“ und am Profit der Konzerne klebt Blut.

Das scheint in Deutschland niemanden groß zu stören.

Sollte es aber.

Es gibt keine Klimagerechtigkeit ohne politische Freiheit, keine Lösung der Klimakrise ohne Wahrung der Rechte und Würde aller Menschen weltweit.

Wir als Zivilbevölkerung und Klimagerechtigkeitsbewegung in einem Land, in dem das Versammlungsrecht (noch) stark ist, dürfen dieses Privileg nicht ungenutzt lassen und gehen daher in Solidarität mit all den Aktivist:innen auf die Straße, die in Ägypten nicht demonstrieren dürfen.

Menschenrechte müssen weltweit gelten und daher auch weltweit geschützt werden!

Es ist höchste Zeit, dass die demokratischen Staaten ihre wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit mit Ägypten an die Einhaltung von Menschenrechten knüpfen! Wir erwarten von der deutsche Delegation, die Freilassung von politischen Gefangenen aktiv einzufordern, zum Beispiel die des seit Monaten im Hungerstreik befindlichen Schriftstellers und Aktivisten Alaa Abd el Fattah.

Die Zivilgesellschaft in Ägypten muss gehört werden, Menschenrechte und Pressefreiheit wiederhergestellt und die repressive Gesetzgebung gegen politische Gegner revidiert werden. Vorher dürfen keine Gelder fließen!

Der Gipfel in Sharm el-Sheikh darf nicht zu einer grünen Waschanlage für einen Diktator verkommen, der mit Papier-Trinkhalmen für eine Konferenz wirbt, die die Zukunft der Menschheit mitbestimmen soll, und der dabei im eigenen Land tausendfach Menschenrechte mit Füßen tritt.

© Zeb

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