Wie überleben wir, lebendig bleibend? Wie bleiben wir lebendig, überlebend?
Hier sitze ich und bin zutiefst berührt, geschockt und kurz vor der Überforderung. Wie immer, so kurz vor der Überforderung, und die Kunst lernend, mich nicht überwältigen zu lassen. Denn Überwältigung lähmt. Wir alle haben vom Klimawandel gehört, wissen mehr oder weniger über die wissenschaftlichen Details. Und doch tun wir viel weniger, als wir eigentlich müssten oder könnten. Die schiere Größe des Projekts lässt uns glauben, wir können nichts ausrichten. Oder wir wissen nicht, wo wir anfangen sollen. Und natürlich, wenn nur ein einzelner etwas tut, richtet das nichts aus.
Aber wo ist der Strand ohne das einzelne Sandkorn?
Wo ist der Sturm auf See ohne jede einzelne Welle?
Wo ist ein Kreis ohne Milliarden kleiner Punkte?
Wenn wir einen Kreis auf einem Blatt Papier gezeichnet haben wollen, dann zeichnen wir einen Kreis auf ein Blatt Papier. Wir denken nicht, „Oh nein, ein Kreis ist rund, er hat keinen Anfang, also kann ich keinen Kreis malen“. Wir malen einen Kreis. Wir beginnen einfach irgendwo, an einem der Milliarden Punkte des zukünftigen Kreises.
Anfangen.
Einfach anfangen.
Nicht fragen, „Aber was soll ich denn tun?“.
Nicht sagen, „Ich allein kann doch nichts ausrichten.“
Wenn wir beginnen, einen Kreis zu malen, ist er zunächst ein Punkt. Er wird zu einem kleinen Strich, einer gebogenen Linie, einem Halbkreis. Wir malen einfach weiter, hören nicht mittendrin auf, weil wir meinen, das sei ja gar kein Kreis. Und vor allem fangen wir an.
Ein Buch, dessen letzte Seite ich soeben gelesen habe, hat mich inspiriert, diese Worte zu schreiben. Es hat mich inspiriert, das zu tun, was ich kann. Während des Lesens habe ich erneut festgestellt, was für eine Kraft ich auch als einzelner Mensch habe. Denn ich schlage Wellen. So wie Jonathan Safran Foer Wellen schlägt, indem er ein Buch über den Einfluss von dem Verzehr tierischer Produkte auf den Klimawandel schreibt („We are the Weather“/ dt. „Wir sind das Klima“).
Wenn ich selbst auf tierische Produkte verzichte, inspiriere ich damit eine Freundin, weniger davon zu essen, was wiederum ihre Eltern dazu inspiriert. Wenn ich für 65 Leute einen veganen Schokokuchen backe, inspiriere ich einige, es vielleicht auch mal zu versuchen. Wenn ich dazu stehe, dass ich kein Fleisch, keine Milch und keine Eier essen möchte, selbst wenn ich dabei anderen „Umstände“ mache, zeige ich meine Überzeugung, ohne Menschen überzeugen zu wollen. Unsere Handlungen haben Folgen. Nicht nur hat der Ausstoß von CO2, Methan und Stickstoffoxid durch landwirtschaftliche Tierhaltung negative Folgen für die Temperatur unserer Atmosphäre und dadurch auf das gesamte Leben auf diesem Planeten. Ebenso hat jede kleinste Entscheidung eine Auswirkung auf unser soziales Umfeld.
Und es geht nicht darum, perfekt zu sein. Es geht nicht darum, dass du für den Rest deines Lebens 120 % vegan lebst, niemals mit dem Auto fährst, nie fliegst, lebst, ohne jeglichem Leben zu schaden. Das ist nicht möglich, und selbst Veganer schaden pflanzlichen Organismen. Aber wo können und müssen wir Abstriche machen? Und unser Leben vielleicht sogar so gestalten, dass es gar keine Abstriche mehr sind, weil wir so erfüllt sind, von dem Leben, dass wir ohne Tier im Essen, ohne Auto, ohne Flugzeug leben?
Was ist Überleben auf diesem Planeten wert, wenn wir nicht leben?
Was ist unser atmender Körper wert, wenn unsere Seele nicht atmet?
Doch genauso brauchen wir das Überleben, um zu leben.