Ein Text über die schleichende Ideologie des Ökofaschismus, die Notwendigkeit einer Kultur der Rücksicht und der Solidarität mit den Menschen im Lager Moria auf Lesbos
Aktuell sehen wir in den sozialen Medien und auch in klimaaktivistischen Kontexten immer wieder Sätze wie "Mutter Erde reinigt sich" und "Der Mensch ist das Virus". Derartige Aussagen sind ökofaschistisch, menschenfeindlich und faktisch falsch.
Die Behauptung, eine globale Pandemie und der Verlust von Tausenden von Menschenleben sei eine gute Sache für das Klima, ist mindestens genauso gefährlich wie die Krankheit selbst. Wir leben in einer beängstigenden Zeit, in der Menschen großen Risiken und potenziell auch dem Tod ausgesetzt sind - sowohl durch #COVID19 als auch durch die Folgen der ökologischen Krise. Umso wichtiger ist es, sich darüber im Klaren zu sein, wofür wir uns einsetzen - wie die Welt aussehen soll, für die wir auf die Straße gehen.
Bei Extinction Rebellion Deutschland sagen wir die Wahrheit über die Klima- und ökologische Krise. Das bedeutet auch, falsche Behauptungen zu widerlegen und aufzuzeigen, wie sie marginalisierte Gruppen in Gefahr bringen.
Denn nicht "der Mensch" ist das Problem, sondern bestimmte Arten des Zusammenlebens, Wirtschaftens und schlechte politische Entscheidungen:
Ressourcenverbrauch, CO2-Emission, Vermüllung, die Ausbeutung von Mensch und Natur. Diese Aspekte ge-hören nicht untrennbar zum Menschsein dazu. Sie korrelieren mit Privilegien und reproduzieren sich unter anderem durch die gewaltvolle Unterwerfung von weniger Privilegierten.
Menschen können lernen, sich und ihr Umfeld verändern und sich gemeinsam in gegenseitigem Respekt Regeln geben, die den Anforderungen unserer Zeit gerecht werden und uns dazu anhalten, eine Kultur der Rücksicht und ein gutes Umfeld für Mensch und Natur zu schaffen.
Jedes Statement, das die real gegebenen Verursachungszusammenhänge der ökologischen Krise verschleiert, indem es schlicht "den Menschen" als das Problem "der Erde" herbeifabuliert, ist nicht nur faktisch falsch. Es leistet auch Ideologien Vorschub. Ideologien, die die Verantwortung für die Klimakrise auf vermeintliche Überbevölkerung, Minderheiten oder den globalen Süden abwälzen und dabei Gewalt und menschliches Leid in Kauf nehmen, um Probleme egal welcher Art zu lösen.
Narrative wie "die Erde reinigt sich" oder "die Menschheit ist der Virus" zelebrieren den Tod überwiegend strukturell benachteiligter Menschen und implizieren, die Erde könne so "gerettet" werden. "Überbevölkerungs"narrative dienen dem Ziel, ein irrationales Feindbild zu schaffen und die Türen für repressive und rassistische Anti-Immigrationspolitik zu öffnen.
Solche faschistischen Denk- und Sprechweisen schleichen sich aktuell in unterschiedliche Kontexte und politische Diskurse ein. Wenn wir angesichts der wachsenden Klima- und Umweltkrise für einen wirklich gerechten Wandel kämpfen wollen, müssen wir auch wachsam gegenüber dem (Öko-)Faschismus sein.
Die Klimakrise wird durch unser zutiefst ungerechtes und zerstörerisches System verursacht, das auf den Profit einiger weniger ausgerichtet ist - und NICHT durch Menschen, die in einer strukturell ungerechten Welt um ihr Überleben kämpfen.
Wir müssen uns über globale Machtverhältnisse und Ungerechtigkeiten im Klaren sein und verstehen, dass Menschen, die am wenigsten zu diesen Krisen beitragen, am meisten von ihnen betroffen sind.
So sind vertriebene und ausgegrenzte Menschen aufgrund des ungleichen Zugangs zu einer Gesundheitsversorgung, zu grundlegenden Dienstleistungen und Präventivmaßnahmen, die die Option einer Selbstisolierung miteinschließen, einem erhöhten Risiko durch #COVID19 ausgesetzt.
Wir dürfen auch in dieser Krise niemanden zurücklassen: Das Geflüchtetenlager Moria auf Lesbos muss sofort evakuiert werden. Die humanitäre Katastrophe, die sich dort abspielt, muss sofort beendet werden. #LeaveNoOneBehind