Kohle machen

Geschrieben von Manon Gerhardt am 04.04.2022

Foto: © http://luetzerathlebt.info/

Irgendwann wird jede:r mürbe.

Nach zehn Jahren gibt der Landwirt Eckardt Heukamp, „der letzte Landwirt von Lützerath“, den Kampf um seinen Hof auf und verkauft Grund und Boden gezwungenermaßen an den Energieversorgungskonzern RWE. Zehn Jahre lang hat er dem enormen psychischen Druck standgehalten, der auf ihn ausgeübt wurde.

Am 28.03.22 hat das OVG Münster den Weg für die Räumung des kleinen Dorfes Lützerath frei gemacht, indem es die vorzeitige Besitzeinweisung“ von RWE bestätigt hat. [1] Das bedeutet nicht automatisch, dass die Räumung direkt kommt, aber es ist der finale Sieg von RWE über die Klage des Landwirtes gegen seine Enteignung.

RWE will an die 650 Millionen Tonnen Kohle, die unter Lützerath im Boden liegen - um auch noch den letzten Euro aus einer Technologie zu pressen, die laut wissenschaftlichen Studien nicht nur extrem klimaschädlich ist, sondern auch längst nicht mehr rentabel. RWE will noch mal richtig Kohle machen mit der Kohle.

Genau einen Monat vorher veröffentlichte der Welt-Klimarat eine erneute, dramatische Warnung vor den desaströsen, zivilisationsgefährdenden Folgen einer ungebremsten Klimaerwärmung. Die Hälfte der Menschheit lebe in der akuten Gefahrenzone, wenn nicht drastische Maßnahmen zur CO2-Reduktion und gleichzeitigen Kompensationsstrategien ergriffen würden. Antonio Guterres brachte es auf den Punkt: „Delay means death“- „Zögern bedeutet Tod“. [2]

Wie kann es sein, dass es offenbar dennoch politisch tragbar ist, Ökosysteme und sogar die Heimat von hunderten Menschen in Deutschland zu zerstören, um genau diese Katastrophe weiter zu befeuern?

Es hat ganz profan rechtliche Gründe, zumindest vordergründig. Denn das OVG bezieht sich in seiner Entscheidung nicht etwa auf die Einhaltung von Klimazielen oder ähnlichem, sondern lediglich auf verwaltungsrechtliche Belange und verweist auf die Verantwortung der Politik.

Dazu muss man wissen, dass sich RWE auf eine Steilvorlage des Wirtschaftsministeriums unter Peter Altmeier berufen kann, der wissentlich ein Gutachten zu den Folgekosten des Braunkohletagebaus aus dem Jahre 2019 399 Tage (!) unter Verschluss hielt. Die durch eine Intervention von Greenpeace erzwungene Veröffentlichung macht deutlich, dass hier eine Lobbykratie vom Feinsten gewirkt hat und Konzern-Interessen rechtliche Absicherung erhielten zum Schaden von Umwelt und Allgemeinheit. [3]

Laut dem Gutachten, das die Forschungsinstitute BET und EY im Auftrag des Wirtschaftsministeriums erstellt haben, könnte die Förderung in Garzweiler II durch den Kohleausstieg so weit zurückgefahren werden, dass die Dörfer nicht abgebaggert werden müssten. Rund ein Drittel der Braunkohle in Garzweiler II könnte demnach unter der Erde bleiben.

Die Kohlekommission zog es allerdings vor, dieses Gutachten nicht zu veröffentlichen, um so ohne öffentliche Diskussion RWE die rechtliche Handhabe zum Abbaggern der rheinischen Dörfer zu garantieren.

Wir wissen also, dass wir diese Kohle weder brauchen, noch dass der ganze Prozess von Enteignung und Zerstörung irgendetwas mit einer gesunden Demokratie zu tun hat.

Es tobt aber zeitgleich ein mörderischer Krieg mitten in Europa, und die Politiker:innen bekommen buchstäblich kalte Füße, weil sie durch den Kauf von Öl und Gas die Aggression Russlands auch noch mitfinanzieren. Das gibt den Kohlekonzernen ein weiteres Argument an die Hand, mit dem sie den Nutzen der Kohleverstromung für die Allgemeinheit rechtfertigen können: Energiesicherheit aus dem eigenen Land! Was für ein Versprechen.

Dieser Nutzen wäre aber außerordentlich gering und kurzfristig und würde auch bei weitem nicht die russischen Importe ausgleichen können - dafür aber Deutschland noch weiter von seinen Klimazielen entfernen als es ohnehin schon ist.

Was also tun?

Die Debatte wissenschaftlich führen!

Es kann nicht sein, dass hier allein verwaltungsrechtliche Betrachtungsweisen ohne den notwendigen wissenschaftlichen Zusammenhang berücksichtigt werden. Es geht nicht nur um ein kleines Dorf, es geht um eine politische Richtungsentscheidung mit globalen Auswirkungen.

Will die Regierung ihre selbstgesteckten Ziele erreichen?

Nimmt sie die Warnungen des Weltklimarates ernst?

Dann gäbe es eine Vielzahl an Möglichkeiten, so schnell wie möglich von Gas- und Kohleimporten aus Russland weg zu kommen.

Versierte Netzwerke und Expert:innen haben da konkrete Vorschläge gemacht: Tempolimit und einen preiswerteren ÖPNV, Carsharing anstelle von quasi kostenlosen Privatparkplätzen in Innenstädten begünstigen, Wärmepumpen in Privathaushalten stärker subventionieren, die Kosten für Schäden von Umwelt und Gesundheit durch das Verbrennen fossiler Energien den Verursacher:innen in Rechnung stellen, industrielle Tierhaltung verbieten und und und. [4] [5] [6]

Die Lösungen liegen auf dem Tisch. Und nicht im Boden unter Lützerath.



Solidarität mit Lützerath!

Wir solidarisieren uns klar mit den Aktivist:innen in Lützerath, die seit Jahren für den Erhalt des Dorfes kämpfen. Verschiedene Gruppen rufen in den nächsten Wochen zu Protesten auf, schließe dich an! Es könnte das Wichtigste sein, was du dieses Jahr tust. In Lützerath versuchen wir, die 1,5 Grad Grenze zu retten! [7]

1. April: Frühlingsfest

23. April: Großdemo in Lützi


Helft mit, Lützerath #unräumbar zu machen!

Solltet Ihr gerade nicht die Möglichkeit haben, die Proteste vor Ort zu unterstützen, könnt Ihr den Aktivist:innen auch online zu Reichweite verhelfen und mit Spenden unter die Arme greifen:

Kontoverbindung:

Inhaber:in: Lützerath Lebt

IBAN: DE24 4306 0967 1204 1870 01

Verwendungszweck: Lützi Lebt




Quellen:

[1] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/klima-nachhaltigkeit/braunkohle-rwe-gewinnt-im-raeumungsstreit-um-luetzerath-17915538.html

[2] https://www.ipcc.ch/2022/02/28/pr-wgii-ar6/

[3] https://www.greenpeace.de/klimaschutz/energiewende/kohleausstieg/brisantes-kohle-gutachten

[4] https://www.duh.de/tempolimit-jetzt/

[5] https://www.duh.de/

[6] https://www.energiezukunft.eu/politik/die-verantwortung-liegt-jetzt-bei-der-politik/

[7] http://luetzerathlebt.info/

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