Florian berichtet, wie es ihm bei seinem Ro1-Einsatz am 12. Juni in Hamburg gelang, die Aktion von sonst dreißig Minuten auf drei Stunden zu verlängern.
Bereits in den Niederlanden und auch in Deutschland hatte mich meine Angst vor der Klimakatastrophe dazu getrieben, mich alleine auf die Straße zu setzen. Auch am Tag des G7-Treffens wollte ich mich am 12. Juni mit vierzig weiteren mutigen Menschen auf den rauen Hamburger Asphalt begeben. Diesmal war ich fest entschlossen, weiter zu gehen als mich hinzusetzen und - nach oft nicht mehr als dreißig Minuten - weggetragen zu werden. Ich wollte länger bleiben!
Ich nahm Kleber (Sekundenkleber aus dem Drogeriemarkt) in meine Hosentasche und war sehr aufgeregt, als ich mich meinem Standort näherte. Zum Glück hatte ich vor kurzem ein „Glue-on-Training“ zur Verwendung von Kleber absolviert und wusste daher, dass ich meine Hand nicht oberhalb des Herzens ankleben durfte (Lebensgefahr!) sowie, dass der Kleber nicht so gesund wie Hautcreme ist, sich aber rückstandslos entfernen lässt.
An meinem Rebellion of One-Ort angekommen – einem gemütlichen Zebrastreifen in einem eher ruhigen Stadtteil – wartete ich auf das erste Auto und setzte ich mich nach halbem Überqueren des Zebrastreifens so auf die Straße, dass Autos noch langsam an mir vorbei fahren konnten (volle Blockaden mag ich nicht so gerne wegen des drohenden Nötigungsvorwurfs).
Nach einer Weile kam ein Auto mit Anhänger, welches sich nicht traute, an mir vorbei zu fahren. Die Beifahrerin stieg aus („Care Work“ - der Fahrer blieb sitzen, meckerte ab und zu aus dem Fenster), kam auf mich zu und bat mich zu gehen. Mit überzeugenden Argumenten versuchte sie, mich zum Verlassen der Straße zu bewegen (Wohnungsumzug, eilig, Einbahnstraße), redete mal ruhig, mal energisch auf mich ein, sodass ich mein - ebenfalls frisch erlerntes - Deeskalations-Wissen testen konnte. Ich erklärte ihr ruhig den Grund, warum ich hier saß, fragte sie nach wirksameren Methoden, meine Angst zu zeigen und zeigte Verständnis für ihren Unmut. Nach einer Weile rief sie die Polizei.
Nun war der Augenblick des Klebers gekommen! Ich holte ihn aus der Tasche, schmierte meine linke Hand mit den gesamten drei Gramm ein und klebte sie auf den - Dank des noch verlässlichen Hamburger Regens - recht sauberen Asphalt.
Eine Passantin versuchte noch mit eindringlichem Bitten, mich davon abzuhalten, weil ich mir keinen Schaden zufügen solle. Nachdem der Kleber innerhalb kurzer Zeit getrocknet war, erklärte ich ihr und den teilweise bis zu fünfzig anderen umstehenden Menschen, dass mir in meiner Zukunft wegen der Folgen der Klimakrise sehr wahrscheinlich schlimmere Situationen bevorstehen als ein bisschen Kleber an der Hand. Ich sagte, dass insbesondere Menschen aus dem Globalen Süden schon heute zum Teil tödliche Folgen der Klimakatastrophe erleben.
Im Vorfeld der Rebellion of One hatte ich mehr über Katastrophen erfahren wollen, die sich bereits ereignen und Kontakt zu einem Menschen aus Nigeria aufgenommen, der mir von seinen Ängsten erzählt hatte. Ich hatte seine Angst auf mein Schild geschrieben: „Ich habe Angst vor dem Aussterben von Flora und Fauna wegen der Klimakrise“. Er hatte mir erklärt, dass das Leid der Menschen in Nigeria neben ausbleibendem Regen, Insektenplagen und Ernteausfällen zusätzlich durch europäische Großkonzerne verstärkt wird – Shell beispielsweise verseucht durch Ölbohrungen Teile des Landes und Wassers.
In den darauf folgenden drei Stunden erklärte ich den umstehenden Menschen den Grund meiner Angst und meine Sorgen und Wünsche in Bezug auf die klimatische und ökologische Krise.
Es geschah, was für mich die Rebellion of One ausmacht: Menschen blieben stehen, hörten meinen Worten zu, dachten darüber nach, diskutierten, stellten mir Fragen, machten Fotos und Filme und wurden so auf eine friedlich-störende, persönliche Art zum Mitmachen angeregt. Ich betonte, dass es möglich ist, klein anzufangen und sich zu überlegen, wieviel Protest sich jeder Mensch für eine lebenswertere Welt leisten kann.
Dabei zeigten Menschen Aufmerksamkeit (ein Mensch filmte mich spontan für eine Arte-Dokumentation), Hilfsbereitschaft (ich bekam ein Brezel und etwas zu trinken) und Mitgefühl (ein Mann setzte sich für eine Weile neben mich, was mich zu Tränen rührte).
Nach meiner „Räumung“ – die technische Einheit der Polizei hatte meine Hand vorsichtig gelöst, die Polizisten mich anschließend mit Schmerzgriffen abgeführt – verbrachte ich etwa drei Stunden in Gewahrsam, bis die „Gefahrenlage“ aus polizeilicher Sicht gebannt war. Insgesamt wurden an diesem Tag zwanzig der vierzig in Hamburg Sitzenden in Gewahrsam genommen. In den folgenden Tagen las ich von einem Beitrag aus einem Nachbarschafts-Chat mit vielen positiven Kommentaren – die Diskussion ging weiter.
Ich wünsche mir, dass diese tolle Aktionsform in alle Bewegungen getragen wird. Mit der Rebellion of One können auch Menschen emotional erreicht werden, die sich kaum für das Thema Klima interessieren oder nicht auf Demonstrationen gehen würden. Ich freue mich auf eine riesige Rebellion of One mit hunderten Sitzenden am 21. August in Berlin sowie auf viele kleine lokale Rebellions of One davor und danach im ganzen Land – so lokal und dezentral wie es diese Aktionsform ermöglicht.