Frauen an der Klimafront

Geschrieben von Annemarie Botzki am 08.03.2020

[XR] Zum Weltfrauenkampftag

“In dieser sehr herausfordernden Zeit in der Geschichte sollten wir uns daran erinnern, dass wir (..) die mächtigen Kräfte des Wandels darstellen, die entschlossen sind, zu verhindern, dass die sterbenden Kulturen des Rassismus und Heteropatriarchats wieder auferstehen”

-Angela Davis

Was die Klimakatastrophe zerreisst, sind nicht nur Küsten, Wälder und Meere, sondern auch unser naiver Glauben daran, dass patriarchalische und marktbasierte Politik und Wirtschaft die Antwort für eine gleichberechtigte Welt und gesundes Klima ist.

Diese Einsicht ist so befreiend, wie beängstigend. Denn niemand wird uns als Frauen gleichstellen. Wir müssen es selbst tun. Dabei bleibt es nicht aus, dass wir uns gleichzeitig gegen sexistische Beleidigungen, sexuelle Übergriffe und strukturelle Diskriminierung wehren müssen - und nichtsdestotrotz den Glauben an unsere eigene Kraft bewahren. Die Kraft und Macht für Veränderungen steckt in uns.

Weltweit setzen sich Frauen nicht nur für die Gleichstellung der Geschlechter ein, sondern stehen unter Einsatz ihres Lebens an vorderster Front, um sich für den Erhalt von Ökosystemen, Wasser und Luft einzusetzen. Sie stellen sich entschlossen gegen illegale Holzfäller im Amazonas, übernachten im kanadischen Schnee, um den Bau von gefährlichen Gaspipelines zu verhindern, blockieren eine der gefährlichsten Industrien, Blei-Recycling in Afrika und kämpfen für saubere Luft in China.

Dabei riskieren und verlieren Frauen ihre Leben. Angriffe auf weibliche Menschenrechtsverteidigerinnen nehmen sogar zu. Im vergangenen Jahr wurden weltweit 137 Frauen angegriffen, weil sie sich gegen große Unternehmen gestellt und ihre Gemeinschaften verteidigt haben. Fast die Hälfte dieser Angriffe richtete sich gegen indigene Frauen.

Der Einsatz ist wichtig und entscheidet über die Zukunft vieler Gemeinden. Denn auch wenn Umweltzerstörung und Wetterextreme für uns hier in Deutschland weit entfernt erscheinen, bedrohen diese Kinder und Familien schon heute – weltweit. Dass wir weniger betroffen sind, ist eine privilegierte und ungerechte Situation, die mit Verantwortung einhergeht. Denn besonders die Industriestaaten des globale Nordens befeuern die Erhitzung unserer Atmosphäre, die das Leben aller Menschen, jetzt und nach uns, verändern wird.

“Meine Kinder sind deutsch-afrikanisch, deshalb sind sie, was die Klimakatastrophe angeht, einigermaßen geschützt. Aber was ist mit all den anderen Kindern, die ungeschützt und unverschuldet Katastrophen ausgeliefert sind – ich verspüre eine starke Verbundenheit und Verantwortung”, sagt Malika aus Mauritius, Umweltaktivistin und Mutter von zwei Kindern..

Mitentscheiden!

Um die ökologisch Krise aufzuhalten, ist es wesentlich, dass Frauen weltweit an Entscheidungen gleichberechtigt beteiligt werden. Frauen sind am stärksten von den gefährlichen Auswirkungen der Klimakatastrophe betroffen. Aber sie entscheiden nicht gleichberechtigt mit, wie die Katastrophe aufgehalten werden soll. Weltweit sterben Frauen 14-mal häufiger als Männer während einer Katastrophe. Weil sie ärmer sind, Kinder bei sich haben, höhere Arbeitsbelastungen erfahren, nicht schwimmen können, keine Motorräder besitzen um zu fliehen. Gleichzeitig sind Frauen auf allen Entscheidungsebenen unterrepräsentiert und von Entscheidungspositionen ausgeschlossen – innerhalb ihrer Haushalte und Gemeinden, sowie in politischen Institutionen. Zwar ist die Zahl von Frauen in Parlamenten stark angestiegen, aber Frauen bleiben drastisch unterrepräsentiert – nur 24 Prozent der Parlamentssitze sind in Frauenhand.

Darüber hinaus schwebt die stille Angst mit, dass die Rechte die wir, schwarze, braune, weiße, indigene, lesbische und trans Frauen gewonnen haben, aufgeweicht und aufgelöst werden können – je stärker die Polarisierung in der Gesellschaft voranschreitet.

Gender in die Klimapolitik!

Darüber hinaus wird Gender immer noch viel zu wenig mitgedacht, wenn Gesetze erlassen werden. Frauen bauen das Essen für Familien an, entscheiden häufig darüber, was gekocht wird, wie gekocht wird, und nutzen Verkehrsmittel anders als Männer. Sie werden in der Energie und Klimapolitik aber meist nicht mitgedacht. Beispiel: eine Pendlerpauschale und Subventionen für Elektroautos kommt in den meisten Fällen Männern zugute.

Aber all das bedeutet nicht, dass Frauen einfach ‘schwächer’ sind, sondern dass ungerechte Gesetze geändert und diskriminierende Normen und Machtstrukturen gebrochen werden müssen.

Frauen stellen die treibende Kraft des Wandels dar, in einem System das versagt hat, den Klimawandel abzuwenden, und Menschen gleichberechtigt an Entscheidung zu beteiligen.

Das wunderschöne Versprechen des Feminismus ist, dass wir in einer inklusiveren und gerechteren Gesellschaft zusammen leben werden. Das die intersektionalen, also überlappende Diskriminierungen die geschlechts-, alters-, klassen-, herkunftsbezogen sind, zusammen angegangen und abgeschafft werden.

Gerechtigkeit und Gleichstellung bedeutet natürlich auch, dass Familien, die vor Krieg und Katastrophen fliehen, geschützt werden. Das gibt Mut, besonders in Zeiten in denen diese vor den Grenzen der EU schutzlos frieren und in den Wüsten der USA eingesperrt werden.

Zum Weltfrauentag verneigen wir uns vor all den Frauen, die sich gegen genderbasierte Gewalt, gegen die Unterdrückung und Benachteiligung aller Menschen stellen, die sich mit vollem Mut und großer Liebe für ein neues Miteinander, Menschenliebe und die Heilung der Natur einsetzen.

Am Weltfrauentag im Jahr 2020, das so entscheidend für das Klima und Überleben der Menschheit ist, sollten wir uns unserer kollektiven Macht bewusst werden und verstehen, dass die Heilung des Planeten und ein respektvolles Miteinander an uns hängt.

Mit Fotos von Sebastian Höhn

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