Es wäre gelogen, zu behaupten, dass wir Sie nicht stören wollen."

Geschrieben von Nele, Rede zum Die-In in Regensburg, am 30.06.2019 am 05.08.2019

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir wissen, dass wir Ihnen im Weg liegen. Dass wir Sie vielleicht auf Ihren Einkaufgängen oder auf dem Weg zu wichtigen Terminen behindern. Sie finden es sicherlich lästig, auf Ihren Spaziergängen über Leichen steigen zu müssen. Wenn Sie das nicht stört, dann stört Sie vielleicht der Grund, warum sie hier liegen.

Ich stehe hier, um mich bei Ihnen für diese Störung zu entschuldigen. Es wäre aber gelogen, zu behaupten, dass wir Sie nicht stören wollen. Das wollen wir sehr wohl. Wir stören Sie, weil es verantwortungslos von uns wäre, Sie weiterhin gemütlich Ihre Spaziergänge tun zu lassen. Wir dürfen nicht zulassen, dass Sie sich wohlfühlen. Wir fühlen uns überhaupt viel zu wohl, hier im reichen, kapitalistischen Westen, wo man den Schaden nicht sieht, den man anrichtet. Was ist schon ein totes Kind, wenn man es nicht ansehen muss?

Hier darf man sich selbst entscheiden, was man weiß und was nicht. Wenn man keine brennenden Wälder und gestrandeten, plastikgefüllten Wale sehen will, braucht man ja einfach die Nachrichten nicht einzuschalten. Wenn man nicht wissen will, wo unser Plastikmüll hingeht, braucht man sich einfach nicht zu informieren. Was man nicht weiß, macht einen nicht heiß. Jetzt darf man sich fragen, warum es denn trotzdem in Europa so heiß ist. Doch wie es scheint, kann selbst die sengende Hitze unsere Ignoranz nicht durchdringen.

Die Zeiten, in denen unsere eigenen Verbrechen uns nichts angingen, sind vorbei. Wir sind die Ursache für den Klimawandel. Und nur wir können ihn noch aufhalten. Aber nur, wenn wir uns endlich überwinden und unsere Augen aufreißen, wenn wir der Katastrophe, die uns noch in dieser Generation erwartet, ins Gesicht sehen.

Bald werden nicht nur diese Straße so aussehen. Der gestrandete Wal wird nicht der Einzige sein, der an Plastik erstickt ist. Die Luft wird verseucht und das Wasser wird knapp werden. Es wird Bürgerkriege und Massensterben geben. Das Land wird von Millionen von sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen überschwemmt werden. Die nächste Generation wird mit der Allgegenwärtigkeit des Todes leben, wie es die Menschen im globalen Süden bereits tun.

Aber das macht ja nichts, solange man noch mit dem SUV durch die Innenstadt fahren darf.

... Die Zeit läuft.

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