End of the month, end of the world, same struggle

Geschrieben von Cléo Mieulet am 28.05.2022

© TH&F, AG Bauwesen

Warum lokal radikal ist

Wege zur populären Ökologie

Zuerst möchte ich mitteilen, dass dieser Text nicht mehr als eine erste Skizze darstellt und hiermit eine herzliche Einladung formulieren, diese Themen aufzugreifen und weiterzuentwickeln.

So, wie es momentan läuft, zerstören unsere ökonomischen Tätigkeiten das Netz des Lebens auf diesem Planeten. Der fossile Kapitalismus mit seinen übersteigerten globalen Warenströmen bringt uns geradewegs in die Hölle, lest dazu gerne die neuesten Kapitel des IPCC-Berichtes. Fast alles muss anders werden. Es braucht wirksame globale und überregionale Politik, die diesen Irrsinn stoppt. Momentan kämpfen Aktivisti auf dem ganzen Globus vereint, damit das endlich passiert. Die UNO, die Wissenschaft, große Teile der Bevölkerung wissen sie hinter sich. Hoffentlich erreichen sie bald den ersehnten sozialen Kipppunkt, der unsere Regierungen endlich zum Handeln zwingt.

Und was bedeutet Klimagerechtigkeit konkret, in deinem, meinem Leben? Vor unser aller Haustür? Da kommt dann rasch der altbekannte Satz „think global, act local“ um die Ecke; was taugt er?

Infrastruktur für regionale Kreislaufwirtschaft aufzubauen, lokale Orte des Lernens für sozial-ökologische Praktiken zu etablieren wird uns erst in die Situation bringen, hier vor Ort, in der Höhle des Löwen, den Kapitalismus zu Fall zu bringen.

Leider wird die Auseinandersetzung über Lokales in der Debatte über Klimagerechtigkeit immer noch zu oft belächelt, abgetan, zuweilen gecancelt. Aber Standorte zu schaffen, die uns zur kollektiven Erzeugung von Strom und Lebensmitteln befähigen, ermächtigen uns (auch die prekäre Klasse, Menschen mit wenig Geld) - durch eigene Versorgung -, uns von Ausbeutung lokal und global unabhängig zu machen. Die Vermögensumverteilung findet hiermit konkret wirkende Strukturen. Und lokale Praxis verbindet sich so mit globaler Verantwortung. Dabei muss gefragt werden, inwiefern lokale Praxis auch automatisch gerecht ist. Ist sie nicht unbedingt. Es wurden aber schon einige Pfade entwickelt, die den Weg dahin möglich machen. Hier sei nur mit Schlagworten geantwortet und einer Einladung, sich vertiefend damit zu befassen: Die Forschung zu Degrowth, das Konzept von „buen vivir“ („das gute Leben für alle“ ), Munizipalismus und die Praxis des Commonings (mit ihren Spielformen wie zum Beispiel des Common Public Partnership) sind hier ebenso realistische wie erprobte Ansätze, um lokale und faire Strukturen aufzubauen. Diese gänzlich anderen Wirtschaftsformen sind eigentlich locker durch das GG zu legitimieren, und in der bayerischen Verfassung ist es sogar noch deutlicher ausformuliert: Wirtschaftliche Aktivität soll dem Gemeinwohl dienen, weder ausbeuterisch noch schädigend sein. Wie fern sind wir jetzt davon? Wie können wir uns dem annähern? Und wie wollen wir das messen? Zum Beispiel mit dem Bruttonationalglücks-Index Quartiers Gemeinwohl Index, den das wunderbare Pionierarbeit leistende Hansa Forum in Münster entwickelt hat.

Cléo Mieulet

Und ja, es ist immer noch schwer, den Diskurs über historische, kolonialbedingte Emissionsverantwortung zu etablieren, auch deswegen kann der Bezug auf das Lokale schnell als Bestätigung dieser Ignoranz wirken. Aber erst durch echte regionale Kreislaufwirtschaft und den dazu gehörenden sozialen und Handelsstrukturen können wir die globalen Handels- und damit Ausbeutungsströme effektiv obsolet machen.

Sobald wir die Versorgungsaufgaben, die Reproduktion statt der Produktion im Aufbau lokaler Versorgung ins Zentrum stellen, geschieht eine grundlegende Verschiebung des Verständnisses von Arbeit.

Eine regionale Kreislaufwirtschaft bedingt sinnhaftes Tun, so dass sogenannte „Bullshit Jobs“ darin keinen Bestand haben können. Genauso wenig wie „Bullshit-Waren“. Eine Integration von praktischem Tun ist unerlässlich für regionale Kreislaufwirtschaft, denn es bedeutet, viel weniger durch Kaufen von Dienstleistungen seinen Alltag zu regeln und seine Grundbedürfnisse zu erfüllen. Ein großer Anteil unserer Bedürfnisse wird nicht mehr durch bloßes Kaufen einer Ware oder Dienstleitung erfüllt, vielmehr werden wir aktiv Handelnde in der kollektiven Aufgabe unserer Grundversorgung. In diesem Kontext werden unsere Tätigkeiten wesentlich höhere praktische Anteile haben. Mit dem Aufbau von regionaler Kreislaufwirtschaft werden Arbeit und Konsum grundsätzlich neu definiert und gelebt. Wir haben ein Recht auf klimagerechte Jobs!

Von Reparatur bis genossenschaftlichem Wirtschaften, von dezentraler Erzeugung erneuerbarer Energie bis Permakultur, diese Praktiken erhöhen signifikant unsere Resilienz. Sie müssen irgendwo schnell gelernt werden. Dieses Irgendwo gilt es zu schaffen. Dafür brauchen wir Standorte, diese werden wir nicht geschenkt bekommen. Es ist offensichtlich, dass hier eine große gesellschaftliche Auseinandersetzung wartet. Wo findet der sozial-ökologische Umbau statt? Konkret? Wem gehören die Orte, die wir dazu brauchen?

Das gute Leben für alle wird an konkreten Orten entwickelt und verteidigt

Damit geht das fundamentale Stellen der Eigentumsfrage einher: Nach dem diskursiven Erfolg von Deutsche Wohnen Enteignen braucht es Kampagnen, die uns dazu verhelfen, auch Gewerbe/funktionale Standorte sowie landwirtschaftliche Flächen in die Vergesellschaftungsdebatte zu holen. Das Grundgesetz gibt es her, und wir kennen alle die toxische Leichtigkeit, mit der unsere Regierungen Enteignungen durchführen, wenn es um Braunkohletagebaugebiete oder Autobahnbau geht. Diesen Schwung in der Anwendung des Art. 15 GG braucht es für das Einhalten des Pariser Abkommens, beziehungsweise um dem Art. 20a GG gerecht zu werden. Es sind also gesetzlich ausreichende Grundlagen gegeben, in einer Notsituation wie derjenigen, in der wir uns als gesamte Gesellschaft (Reiche inklusive!) befinden, anders mit Eigentum umzugehen. So können wir zum Beispiel endlich aufhören, unser planetares Gemeingut, wie der Boden eines ist, für den profitgetriebenen Anbau von Biogas oder Futtermitteln zu zerstören und stattdessen damit eine regionale Versorgung mit gesunden Lebensmitteln sicherstellen. Und fossile Infrastrukturen können dadurch zu Standorten des Lebens und Lernens praktischer Klimagerechtigkeit umgewidmet werden. Bei Transformation Haus & Feld ist das unser Ziel. Gemeinsam mit dem Transformationsbündnis THF bieten wir an, eine ehemalige fossile Infrastruktur als Common für unser aller Resilienz zu nutzen.

Es geht auch um die Rückeroberung unserer Vorstellungskraft: Wir brauchen konkrete Bilder für das „gute Leben für alle“, um sie in kooperativen Räumen in unserer Stadt zu verwirklichen. Damit das „gute Leben für alle“ Stück für Stück Wirklichkeit wird. Das will erkämpft und in Vielfalt aufgebaut werden.

Damit Klimagerechtigkeit konkret wird, brauchen wir Mut zur konkreten Utopie: Wie sieht unsere ausbeutungbefreite, resiliente Umgebung aus? Wie unsere selbstversorgte Nachbarschaft? Wer sich darauf einlässt, sieht vor seinem inneren Auge vielleicht eine Straße, wo die ehemaligen Parkplätze Gemüsegärten sind, wo die Menschen eine gemeinsame Waschküche im Keller haben, wo es Kiezwerkstätten gibt, die alle nutzen können, wo die Markenfilialen verschwunden sind und frühere Geschäfte Orte wie Kiezkantinen, Lebensmittelpunkte, Textiltauschläden, Fab Labs, Treffpunkte sind. Stadteile, wo alle Fassaden vertikal begrünt sind, wo so viel entsiegelt ist wie nur möglich (Straßen wird es weiterhin geben, jaha), wo die höchstmögliche kollektive Eigenversorgung erstrebt und nach und nach verwirklicht wird. Auch hier gilt: An politischen Instrumenten fehlt es nicht, wie die Neue „Leipzig charta“ zeigt.

Wir brauchen auch eine offene und pragmatische Kultur untereinander in allen Spektren der progressiven Bereiche unserer Gesellschaft. Die Lösungen sind längst da, in den Nischen, lasst sie uns gemeinsam in den Mainstream holen. Dazu bedarf es eine Vernetzung von praktischen Transformationsakteur:innen wie Repair Cafés, SoLaWis oder Materiallager-Betreibende mit den aktivistischen Gruppen wie Ende Gelände, Extinction Rebellion oder Deutsche Wohnen Enteignen. Eine wunderbare mögliche Gelegenheit dazu möchten wir schon mal am WandelLab bieten.

Auf ins solidarische Abenteuer!

Herzlich und motiviert,

Cléo Mieulet

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