Der Wald spricht

Geschrieben von Britta Pohlmann am 31.10.2020

Magische Momente im Dannenröder Wald


Britta Pohlmann hat am vergangenen Wochenende die Waldbesetzer:innen im Danni besucht und beschreibt ihre Eindrücke.

Menschenkette vor dem Danni am 25. Oktober 2020 (Foto: Britta Pohlmann)

Kaum bin ich in Stadtallendorf aus dem Zug gestiegen, sitze ich schon in einem kleinen roten Wagen. Am Steuer sitzt eine etwas ältere Frau, der man ansieht, dass sie in ihrem Leben hart gearbeitet hat. Sie erzählt, dass sie für die Menschen im Wald zwei Mal in der Woche „containern“ geht, damit jede Menge leckerer Lebensmittel umsonst erhalten und vor der Vernichtung bewahrt hat und bei der Kirche aktiv ist. Auch bei Polizeieinsätzen war sie schon dabei, quasi als parlamentarische Beobachterin - aber nicht für eine Partei, sondern für die Kirche. Fahrdienste macht sie auch. Wir sitzen ganz gemütlich in ihrem Auto, als sie nach rechts zeigt und sagt:

,,Was ich nicht verstehe: Da ist eine Schnellstraße, die ist sogar vierspurig. Klar, den Leuten an der B3 muss geholfen werden. Aber auf der linken Seite bauen sie dann diese Autobahn und roden dafür den Wald, anstatt die vorhandene Straße einfach nur zu verlängern. Und wieso? Das kann mir keiner erklären. Und das Verrückte ist: Wenn sie die Autobahn bauen, geht der ganze Schwerlastverkehr für „Fererro“ und „Kinderschokolade“ durch Stadtallendorf. Die Autobahn ist ja auf der falschen Seite.“

Sie lacht. ,,Und dabei haben die sogar Gleise für Güterzüge, aber das liegt alles brach!“

Ich muss an die Schildbürgerstreiche denken. So ein Wahnsinn! Da wird in diesem Sommer zweimal der Trinkwassernotstand in Hessen ausgerufen. 80 % der Bäume sind in Deutschland durch die Klimakrise geschädigt. Und hier wird dieser wunderschöne Wald abgeholzt!

Die "Red Rebels" beklagen die Abholzung im Dannenröder Forst, Oktober 2020

Wir sammeln noch einen Waldmenschen ein, und dann geht es zur Mahnwache.

Dort wird erzählt, dass sie früher nur aus dem Vereinshaus der Taubenzüchter:innen bestanden hat und sich jetzt auf den Sportplatz und die Wiesen am Waldrand mit dem Camp ausgedehnt hat. Wie das alles gewachsen ist!

Auf dem Platz sind viele Menschen. Rot gekleidete Kinder toben herum und spielen mit den Flaggen: „Wald statt Asphalt“. Die meisten Menschen tragen Rot. Auf der Bühne steht Barbara Schlämmer und wartet.

Sie wartet auf ,,den Wald“. Dann sagt sie: ,,Der Wald spricht“.

Eine junge Waldbesetzerin kommt ans Mikrofon. Ihre Stimme bebt vor Wut. Sie erzählt von Polizeigewalt und davon, wie es ist, „in den Bäumen zu leben“ und diese Lebewesen zu spüren.

Und sie erzählt von der 300 Jahre alten Eiche, die die Waldbesetzer:innen ,,Grandma“ getauft haben.

,,Sie war schon da, ehe die beschissenen Autos erfunden waren. Und jetzt wurde sie kaltblütig gefällt. Für eine beschissene Autobahn!“. Ihre Stimme bricht.

Das Publikum hält den Atem an. Als sie geht, applaudieren alle voller Respekt.

Rote Bänder werden verteilt, und es geht los am Waldrand entlang.

Die Sonne scheint, und es sind so viele Menschen da, dass die Bänder nicht reichen.

Eine Drohne fliegt umher und macht Aufnahmen. Nein, sie ist nicht von der Polizei!

Ich laufe an der Menschenkette entlang und übernehme das Band neben dem gelben Waldgeist mit einem schönen Pappmaché-Kopf und einer kämpferischen, rüstigen Rentnerin. Der Wind bläst kräftig, die Fahnen flattern. Der Waldgeist freut sich über das Rauschen der Blätter. ,,Demnächst ham wir hier nur noch das Rauschen einer Autobahn“, sagt die Rentnerin. Und dann skandiert sie wieder: ,,Danni bleibt! Danni bleibt! Danni, Danni Danni …!".

Ich überlege, ob ich mich einer kleinen Gruppe anschließe, aber eigentlich möchte ich lieber alleine in den Wald gehen. Ich begegne ,,Wüste“, einer jungen Frau aus dem Odenwald. Sie hat einen Zettel an einen Baum gehängt und wartet auf Menschen, die mit ihr die Verbundenheit mit diesem wunderschönen Wald teilen.

Wir reden über die Liebe zu den Bäumen, über Kälte und andere Widrigkeiten. Dann bin ich endlich alleine im Wald. An meinem Ort. Wie friedlich es hier ist.

In meiner Phantasie sehe ich einen gigantischen, schwarzen Drachen. Er frisst Harvester, Hebebühnen und „Wannen“. Sie zerbersten zwischen seinen Zähnen wie Knäckebrot. In seinem Bauch rumort es. Und all die Maschinen, die der Drache aufgefressen hat, kommen oben und unten wieder heraus - verwandelt in dunklen Rauch und glänzende, schwarze Teerklumpen.

Hier unter den Bäumen wird mir klar: Die Bäume brauchen uns nicht. Aber wir brauchen die Bäume! Ohne sie können wir nicht sein. So einfach ist das.

Später im Zelt ist es sehr gemütlich und warm. Es regnet leicht, und wir tauschen uns aus.

Ein Mann erzählt, dass er kleine Eicheln sammelt, um sie in „seinem“ Wald wieder auszusäen – im Schwarzwald, wo vor 30 Jahren alle Nadelbäume einem Sturm zum Opfer gefallen sind.

Später an der „Küfa“ (Küche für alle) bekomme ich warmen Tee und komme mit einem Mann ins Gespräch, der schon seit ein paar Wochen im Danni ist.

,,Hast du schon von den Commons gehört?“, fragt er mich.

,,Dass man alles miteinander teilt und gemeinsam entscheidet. Diese Erfahrung machen die jungen Menschen nämlich hier!“

Er hat den ganzen Tag Barrikaden gebaut. Was für eine Erfahrung für die jungen Leute! Sie sitzen ja zu acht in einem Baumhaus, begeben sich in Gemeinschaften, die bedürfnisorientiert und gemeinsam produzieren und teilen alles. Das ist ja enger als in einer Familie.

Auf dem Heimweg treffe ich ein vertrautes Gesicht. Ach ja, diesem Mann bin ich schon bei meinem letzten Besuch auf dem Bahnhof begegnet. Er raunt mir zu, von der Polizei sei "durchgesickert“, dass die Polizei am nächsten Tag beginnen wird, den Danni zu räumen. Also nicht den Herrenwald oder den Maulbacher Wald, sondern den Danni. Jetzt wird es also Ernst! Der Mann hat für die Aktivisti eine Feuerschale organisiert und ist jetzt auf dem Heimweg, wie auch ich. Doch eigentlich möchte er wieder im Wald sein. Auf dem Bahnsteig ruft jemensch: „Der Zugverkehr ist hier beschissen, darum brauchen wir ja auch unbedingt eine zweite Autobahn!“. Die umstehenden Menschen lachen bitter.




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Am 1.11.2020 ab Leipzig und Berlin.

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