Zwei Reden zur Fußball-WM in Katar
Am 19. November fand vor dem Flagstore in der Tauentzienstraße in Berlin eine Kundgebung statt. Wir dokumentieren im Folgenden die bei der symbolischen Blockade gehaltenen Reden von Manon und Dan.
Kapitalismus tötet
von Manon
Seit der Vergabe dieser WM hat sich die Bevölkerung in Katar nahezu verdoppelt. Allein deswegen musste die Infrastruktur massiv ausgebaut werden, abgesehen vom Bau der gigantischen, zum Teil überdachten Stadien. Hunderttausende Arbeitsmigranten waren nötig, um dieses Projekt zu verwirklichen.
Von Mai bis Oktober ist es in Katar durchschnittlich 30° C heiß bei 8 bis 12 Sonnenstunden pro Tag und Spitzenwerten bis zu 40 Grad.
Die Datenlage über die Zahl der Toten auf hunderten Baustellen in Katar ist nicht gesichert. Die Fifa nennt die Zahl 3. Nämlich nur nachgewiesene Arbeitsunfälle.
Amnesty International 6750.
Katar selber veröffentlichte die Zahl 15.000, die sich aber auf alle Arbeitsmigranten innerhalb der letzten zehn Jahre bezog, auch solche, die nicht an WM-Projekten gearbeitet haben.
Meistens wurde eine 'natürliche Todesursache' wie Kreislaufkollaps oder Herzinfarkt angegeben.
Ein Zusammenhang mit den extremen Wetterverhältnissen wurde nicht genannt.
Was wäre, wenn ...
- 6.500 spanische Arbeiter auf den Baustellen in Katar gestorben wären?
- Oder 3250 portugiesische und 3250 britische?
- Oder 2000 italienische, 2000 deutsche, 2.000 französische und 500 Schweizer!
Würden die Spiele dann stattfinden?
Vermutlich nicht.
Es wäre gar nicht so weit gekommen.
Schon bei einigen Dutzend verdächtiger 'Unfälle' auf den Baustellen wäre interveniert worden von Seiten der Länder, aus denen die Arbeiter stammen.
Warum intervenierte kein Land, als die ersten Verdachte auftauchten?
Weil die Opfer People of Color sind.
Warum kümmert das die Regierungen der Welt nicht?
Weil schwarze Leben weniger wert sind als weiße?
Ganz eindeutig ist das im Kapitalismus der Fall. Das beweisen Menschenrechtsverletzungen, die insbesondere im globalen Süden tausendfach von internationalen Konzernen begangen werden - im Zuge von Profitmaximierung in der Produktion und der Förderung von fossilen Energien oder seltenen Erden. Oder eben auf Baustellen.
Kapitalismus funktioniert nicht ohne Ausbeutung, und die funktioniert nicht ohne Rassismus. Ohne strukturellen Rassismus, der quasi unsichtbar wirkt, aber dennoch effektiv tötet.
Auch kann die Untätigkeit der Industrienationen im Kampf gegen die Klimakrise nur dadurch irgendwie erklärt werden, dass in den vergangenen Jahrzehnten überwiegend schwarzen Menschen und people of color die Leidtragenden waren, Dürre, Hunger und Kriege um die letzten Ressourcen ertragen mussten. Menschen im globalen Süden, die durch ihren Lebensstil am wenigsten zur Erderwärmung beigetragen haben.
Gerade ging in Sharm-el-Sheikh die 27. Weltklimakonferenz zu Ende, in der die Politik des “Loss and damage” diskutiert wurde: Wer zahlt an wen wieviel, damit die am meisten von der Klimakrise betroffenen Länder in Anpassungsmaßnahmen investieren können. Unsere Außenministerin hat weitere 60 Millionen zugesagt, glaube ich. 60 Millionen für Klimaschutzmaßnahmen im globalen Süden. Die naheliegende Lösung, die Entschuldung der seit der Kolonialisierung ausgebeuteten Länder, wird nicht diskutiert. 60 Millionen sind ein Almosen verglichen mit der historischen Schuld einer ehemaligen Kolonialmacht.
Am Ende dieser 27. Klimakonferenz wird klar, dass die Industrienationen nicht bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Wieder wurde keine einzige verbindliche Maßnahme zur CO2- Reduktion vereinbart, und konkrete Summen für die finanzielle Entschädigung der Länder des globalen Südens fehlen völlig.
Aber 100 Milliarden für die Bundeswehr haben wir locker.
Kapitalismus, Rassismus und patriarchale Strukturen sind das Dreigestirn, das unsere menschliche Existenz auf diesem Planeten insgesamt bedroht.
Daher sind unsere Kämpfe alle miteinander verbunden, wir müssen sie sogar intensivieren. Die Politiker:innen werden uns nicht retten, die sogenannten Expert:innen schon gar nicht. Wir werden die Probleme dieser zusammen agierenden Systeme nicht innerhalb der Systeme lösen können, sondern müssen sie als lebensfeindlich erkennen und transformieren. Von Grund auf.
Keine Klimagerechtigkeit ohne soziale Gerechtigkeit und die Wahrung von Menschenrechten weltweit!
NO Climate Justice without social justice- one struggle, one fight!
Mein Brief an Adidas
von Dan
Hallo, Adidas! Ich habe dir diesen Brief geschrieben, um dir zu sagen, wie ich mich fühle, aber du hast ihn an mich zurückgeschickt. Deshalb würde ich ihn jetzt gerne laut vorlesen, wenn das okay ist?
"Liebes Adidas,
ich bin in den 80er und 90er Jahren aufgewachsen. Damals dachte ich, du wärst cool. Und es gab auch diesen coolen Run DMC-Song über dich, nicht wahr? Wie hieß der noch gleich? "My Adidas"? Ja, also heute bist du nicht mehr 'mein Adidas'.
Irgendwann habe ich nämlich rausgefunden, dass du eine intensive Beziehung mit jemandem namens FIFA hattest. Und diese FIFA war überhaupt nicht cool, ganz im Gegenteil. Ich erinnere mich noch, dass die FIFA 2014 eine Weltmeisterschaft in Brasilien organisiert hat, aber dass viele Brasilianer die Weltmeisterschaft nicht in ihrem Land haben wollten, weil Brasilien Millionen ausgab, die besser für dringend benötigte öffentliche Dienstleistungen hätten verwendet werden können. Aber das hat Adidas nicht davon abgehalten, die Weltmeisterschaft 2014 zu sponsern: das Unternehmen blieb der FIFA treu und hat mit dem Verkauf von WM-Artikeln jede Menge Geld verdient.
Und dann war da noch die Weltmeisterschaft 2018. Viele Menschen fragten sich damals, ob Russland wirklich ein so großartiger Gastgeber sei, um ein internationales Turnier wie die Weltmeisterschaft auszurichten. Einige meldeten sich zu Wort und sagten, dass es für die FIFA und ihre Sponsoren vielleicht gefährlich sein könnte, Putins Regime auf diese Weise zu legitimieren. Viele Politiker sind damals nach Russland gereist und haben Putin die Hand gegeben. Während Putin sich als feiner Gastgeber inszenierte, hast du, Adidas, weiterhin viel Geld mit dem Verkauf von WM-Artikeln verdient. Du wolltest doch nicht zulassen, dass ein Despot wie Putin deinen lukrativen Beziehungen zur FIFA in die Quere kommt, oder?
Und damit sind wir beim heutigen Tag angelangt. Ich habe das Gefühl, dass sogar du, Adidas, tief in deinem Inneren weißt, dass die FIFA in diesem Fall zu weit gegangen ist, auch wenn du es nicht zugeben willst. Die Fußballweltmeisterschaft in Katar. Wo soll ich anfangen? Wir haben ein paar Schilder mitgebracht, um dich an einige der größten Probleme zu erinnern. Um ehrlich zu sein, wenn wir mehr Geld hätten, hätten wir 100 Schilder mitgebracht, denn so viele Gründe zum Protest wären uns leicht eingefallen.
Und trotzdem - immer noch Adidas! – bleibst du deinem Partner FIFA treu. Ihr seid in einer toxischen Beziehung, Adidas, das kann doch jeder sehen!
Ich bin neulich in einen deiner Läden gegangen und habe gesehen, dass du dich selbst als "rebellisch aus Tradition" bezeichnest. Rebellisch aus Tradition? Dass ich nicht lache! Das hier ist es, was es bedeutet, rebellisch zu sein. Lass dir von uns, Extinction Rebellion, ein oder zwei Dinge darüber sagen, was es bedeutet, rebellisch zu sein. Es bedeutet, sich gegen missbräuchliche Machtstrukturen aufzulehnen. Es bedeutet, sich gegen das System zu stellen, wenn das System den Planeten und die Menschenrechte mit Füßen tritt. Es bedeutet zu sagen: 'Genug ist genug'. Du, Adidas, hast mit deiner Beziehung zur FIFA nicht nur gezeigt, dass du Teil des Systems bist, sondern auch, dass du das System so lange aufrechterhalten wirst, wie es Gewinne abwirft.
Und das muss nicht so sein. Es gibt Unternehmen, die einen anderen Standpunkt vertreten haben. Ich kann die Haltung des dänischen Trikotausrüsters Hummel respektieren, der sich dafür entschieden hat, sein Logo in Katar nicht sichtbar zu machen. Aber du stellst den offiziellen WM-Ball her, auf dem dein Logo und das Logo der Weltmeisterschaft in Katar direkt nebeneinander zu sehen sind. Und du hast deine Bälle hier sehr deutlich zur Schau gestellt, also wundere dich bitte nicht, wenn wir sie treten.
Ich habe gesehen, dass dein Aktienkurs in diesem Jahr stark gesunken ist. Ich kann nicht sagen, dass du mir da leid tust. Und dann war da auch noch der Skandal mit Kanye West. Aber nach langem Hin und Her und der Sorge um Verluste hast du schließlich eingesehen, dass es der einzig richtige Weg war, die Partnerschaft mit Kanye West zu beenden. Und jetzt ist es an der Zeit, dass du dich von noch jemandem trennst. Schreib der FIFA! Sag ihr, dass es aus ist mit euch beiden!
Und dann, nur dann, kann man von dir vielleicht wieder sagen, dass du echt cool bist."