Das ist erst der Anfang

Geschrieben von Birgitta Wolf am 28.06.2020

Staying Alive! Think! – Mit einer fulminanten Tanzparade hat die Berliner Discobedience-Gruppe am vergangenen Sonntag die Rebellion Wave verabschiedet.

Eindrücke von einem erstaunlichen Ereignis.

"Staying Alive!" - Tanz-Performance auf der Oberbaumbrücke (21. Juni 2020)

Sommeranfang in Berlin-Neukölln. Den traditionellen Ausflug verschiebe ich, denn die Berliner Discobedience-Rebell:innen wollen heute mit einem bunten Tanz-Zug die Welle verabschieden. Dieser Sonntag ist der letzte Tag der Rebellion Wave, eine ereignisreiche Woche liegt hinter uns.

Kurz vor eins bin ich auf dem Weg zum Hermannplatz. Demnächst wird es dort los gehen. Ich bin gespannt.

Diejenigen, die sich noch ganz spontan entschieden haben, mitzumachen, hatten die Gelegenheit, noch in letzter Minute im Schnelldurchgang die Choreographien zu proben: Bei einem Workshop mittags um zwölf, angeleitet von Urzula.

Wie schön, so viele Discobedience-Tänzer:innen wieder zu treffen! Die meisten hatte ich zuletzt im Februar gesehen, bei unserer Performance vorm Berlinale Palast. Dann ereilte uns die Pandemie.

„Machst Du nicht mit?“, fragen manche. Denn mir hat Zeit und Muße gefehlt, um mir über ein Kostüm Gedanken zu machen, und unter all diesen kreativ-skurril kostümierten und geschminkten Phantasiewesen bin ich hier nun definitiv underdressed. Die Choreographie habe ich aber einstudiert - und klar, natürlich will ich mittanzen.

Celebration

Kurz nach 13 Uhr setzt sich der bunte, tanzende Zug in Bewegung. “Celebration!“, singen Kool & The Gang. – Ja, wir zelebrieren unsere Freude am Tanzen und am Leben. Doch das ist keineswegs alles, worum es uns geht. Dass es sich hier nicht einfach um eine weitere Party handelt, sondern um eine politische Demonstration, das macht der DJ von Anfang an klar. Wir haben eine Botschaft. Wir fordern Klimagerechtigkeit und ein politisches Um- und Neudenken. Deshalb sind wir hier.

Über den Kottbusser Damm soll es zum Kottbusser Tor gehen, dann weiter Richtung Osten und über die Oberbaumbrücke zum RAW-Gelände in Friedrichshain.

Funkytown

Dass die Stimmung von der ersten Minute an so hervorragend ist, ist vor allem auch der feinen Musikauswahl von DJ Tomekk zu verdanken. Wie kommt es, dass hier zufällig all meine Lieblingstanzstücke aus früheren Dekaden gespielt werden?

„Funkytown“, der 1980er-Discohit von Lipps, Inc. - Erstaunlich, wie frisch Disco- und Club-Klassiker aus den vergangenen Jahrzehnten heute noch klingen können - und wie ausgezeichnet das hier funktioniert! Oder war das ein Remix? „Das war halt noch Musik!“, sagt lachend eine Mittänzerin, die ich nicht kenne - oder nicht erkenne. Ich vermute, sie ist so Mitte 20, kann aber nicht sicher sein, denn zwischen obligatorischer Mund-Nasen-Schutzmaske und prächtigem Kopfschmuck ist nur ein ganz kleiner Teil ihres Gesichtes zu sehen.

Bereits am Kottbusser Damm bewegt der mitreißende Groove immer wieder auch Passant:innen dazu, vom Bürgersteig auf die Straße zu wechseln, um sich begeistert der glitzernd bunt und wild kostümierten Gruppe anzuschließen und spontan mitzutanzen.

Auch Akrobat:innen sind dabei. Artist:innen des Zirkus‘ Cabuwazi begleiten den Zug und bereichern ihn mit ihren unterhaltsamen Kunststücken. Viel Applaus erntet ein Mann in silbern glänzender Hose, wenn er immer mal wieder überraschend Anlauf nimmt und gekonnt durch einen Hula-Hoop-Reif springt.

Erste Etappe auf dem Kottbusser Damm

Respect

So heiter und ausgelassen hier gefeiert wird, werden doch mit erstaunlicher Disziplin die Corona-Regeln beachtet. Dafür sorgen auch einige gut gelaunte "Ordner:innen", die sich mit bunten Schwimmnudeln durch die feiernde Menschenmenge bewegen und auf freundliche und humorvolle Weise daran erinnern, bitte den Mindestabstand einzuhalten. Wie in der Klimafrage orientieren wir uns auch hier am wissenschaftlichen Konsens. Wir tragen Mund-Nasen-Schutzmasken und tanzen fröhlich weiter zu Aretha Franklins Soul-Klassiker „Respect!“.

Staying Alive

Die Atmosphäre ist heiter und entspannt, wir haben viel Spaß, und das ist Klasse. Wir demonstrieren unsere Lebensfreude, doch das ist nicht alles.

Erste Station: Kottbusser Brücke. Zu einer textlich auf unser Thema abgewandelten Version des 1970er-Disco-Hits „Staying Alive“ der Bee Gees zeigt unsere Discobedience-Gruppe, was sie einstudiert hat: Zuerst einmal tanzen wir die klassische Choreographie von XR Melbourne. Dass das keine bühnenreife Darbietung ist, stört überhaupt nicht – ganz im Gegenteil: Es ist sehr lustig. Um Perfektion geht es uns nicht. Alle können sehen, wieviel Freude und Spaß an der Sache wir haben. Und es ist erst der Anfang, der erste Teil unserer Performance.

Think!

Die Melbourner „Staying-Alive“-Choreo tanzen inzwischen Discobedience-Gruppen auf der ganzen Welt. Doch das reicht uns heute nicht. Gleich im Anschluss gibt’s noch eine neue Choreographie zu sehen, die die Berliner Discobedience-Mitstreiterin Ellen entwickelt hat - zu Aretha Franklins „Think!“.

Hier, am Nordneuköllner Landwehrkanal gibt’s ja jeden Tag so einiges zu sehen und zu hören. Über Mangel an Entertainment und Abwechslung kann sich hier niemand beklagen. Doch selbst die reizüberfluteten Ankerklause-Gäste staunen nicht schlecht, was hier gerade stattfindet – und dann auch noch all diese bunten, phantasievollen Outfits!

Zahlreiche Tänzer:innen tragen Kostüme, die ausgestorbene oder vom Aussterben bedrohte Tierarten repräsentieren. Denn hier geht’s ja nicht nur um unsere Freude am Tanzen, sondern wir wollen mit unserer Performance zugleich auch noch eine andere Botschaft kommunizieren: Wir rebellieren gegen das Artensterben!

Die Population von Meerestieren hat sich zwischen 1970 und 2015 um 49 % reduziert. Die Biomasse von Insekten in deutschen Naturschutzgebieten ist in den vergangenen 28 Jahren um 76 % eingebrochen. Auch der Wildtierbestand von Wirbeltieren in freier Wildbahn hat sich dramatisch reduziert: in den letzten 50 Jahren um 60 %!

Von mehr als acht Millionen Arten, die unsere Erde bevölkern, sind mittlerweile ca. eine Million vom Aussterben bedroht. So sind z. B. zehn Prozent aller Insekten, 40 % aller Amphibien und 30 % aller maritimen Säugetieren bedroht. Die Geschwindigkeit, in der dies geschieht, ist zehn- bis hundertmal höher als in den vergangenen zehn Millionen Jahren.

Auf all das wollen wir mit unserer Performance aufmerksam machen.

Die Atmosphäre ist heiter und entspannt. Das offene und interessierte Kreuzberger Sonntags-Publikum reagiert sehr wohlwollend und freundlich bis begeistert. Think! Letzter Takt, frenetischer Jubel, das ist lustig.

Und jetzt fallen wir plötzlich um.

All die Menschen, die gerade noch so quicklebendig und fröhlich getanzt haben, liegen auf einmal auf der Straße, mitten auf der Brücke.

„Die In“.

Es ist ein ganz besonderer Moment - irritierend und beeindruckend.

Minutenlang liegen wir regungslos am Boden.

Stille.

“Don't you know, they're talkin' about a revolution”, beginnt Tracy Chapman zu singen, “it sounds like whisper …”.

Mit halb geschlossenen Lidern liege ich auf der Kottbusser Brücke und beobachte neugierig die Reaktionen der Zuschauenden – und ich habe den Eindruck: Viele scheinen tatsächlich sichtlich bewegt.

“Love is in the air, everywhere I look around”, singt John Paul Young. “Love is in the air, every sight and every sound. And I don't know if I'm being foolish, don't know if I'm being wise. But it's something that I must believe in, and it's there when I look in your eyes. Love is in the air …”

Die Zeit scheint sich zu dehnen.

Und jetzt erscheinen diese surrealen Wesen mit weiß geschminkten Gesichtern und in rote Gewänder gehüllt. Die Red Rebels ziehen ein und bewegen sich in Zeitlupe durch die Szenerie. - Ein starkes Bild! Auch aus der Perspektive der am Boden Liegenden. Und für die Umstehenden ein Moment, um innezuhalten und diese kleine Auszeit zu nutzen, um mal ein wenig zu reflektieren, was das alles zu bedeuten haben könnte.


„Think!“ – so sang Aretha Franklin bei unserem zweiten Tanzstück, und dies gemahnen nun auch die Buchstaben auf den Fahnen der Roten Rebell:innen: "T - H - I - N – K!"

Und es scheint zu funktionieren, was hier kommuniziert werden soll. Viele der Zuschauenden, die gerade noch nach dem Ende des Tanzstücks so begeistert applaudiert haben, wirken nun nachdenklich.

Die In mit den Red Rebels auf der Kottbusser Brücke

Discobedience-Mittänzerin Martina vergleicht in ihrer Rede unser Ökosystem mit einem Kartenhaus. Es gibt Mikroorganismen, Pflanzen, Tiere, Menschen – und je mehr Arten aussterben, umso mehr gerät das gesamte System ins Wanken. Martina beschreibt, was uns droht, wenn die Temperaturen weiter steigen: mehr extreme Wetterlagen, mehr Dürren, mehr Konflikte, Kriege und Flüchtlinge. Und sie erinnert uns auch noch einmal daran, dass die Länder des globalen Südens bereits viel stärker unter den Folgen des Klimawandels leiden als wir.

Unsere Parade zieht munter weiter. Wie schön, dass der Autoverkehr heute ausweichen muss und wir hier mitten auf der Straße tanzen und demonstrieren können.

Die Performance mit Tanz, Die In und Red Rebels führen wir noch an zwei weiteren Stationen auf: auf der Straßenkreuzung am Lausitzer Platz und zuletzt auf der Oberbaumbrücke.

Unser Ökosystem ist wie ein Kartenhaus ...

We are a family!

Auf der Strecke zwischen diesen Knotenpunkten wird ausgelassen getanzt zu grooviger Musik. Immer mehr Passanten schließen sich spontan unserem fulminanten Zug an und tanzen mit. Soviel positive Resonanz auch von denen, die vorbei gehen – so viele lächelnde Gesichter!

“We are a family”, singen Sister Sledge, “I got all my sisters with me. We are family. Get up everybody and sing!”. Die Menschen haben viel Spaß an diesem Nachmittag. Doch wir haben noch andere Botschaften. Daran erinnert uns auch immer wieder DJ Tomekk in seinen Ansagen. Es geht um Gemeinschaft und um Solidarität, wir rebellieren für Klimagerechtigkeit.

Dass hier nicht nur eine Party gefeiert wird, ist offensichtlich. Dafür sorgen nicht nur solche Hinweise durchs Megaphon und verschiedene Redebeiträge, sondern auch die Die Ins, die jedes Mal auf unsere Tanzaufführungen folgen.

Ganz besonders liegt dies aber auch an der eindrucksvollen Performance der Red Rebels, die seit ihrem Einzug auf der Kottbusser Brücke wie „mahnende Schutzgeister“ (vielen Dank, liebe Judith!) unseren Tanzzug auf dem Bürgersteig flankieren. Ihre roten Fahnen flattern in der Luft: THINK!

Die In auf der Skalitzer Straße

There Is No Planet B

Die Pandemie hat uns gezwungen, unsere Pläne für die Wave zu ändern. Sie musste um einen Monat verschoben werden, und wir mussten unsere Aktionen den veränderten Bedingungen anpassen. Deshalb tragen wir Masken und achten darauf, dass bei Aktionen die Abstandsregeln eingehalten werden können. Auch von unserem ursprünglichen Vorhaben mussten wir uns verabschieden. Geplant war eigentlich eine große, gemeinsame Tanzperformance in Berlin, bei der Discobedience-Tänzer:innen aus vielen Städten Deutschlands zusammen tanzen. Seit Februar hatten sich dazu XR-Tanzgruppen vernetzt, Tänzer:innen aus zwölf Städten wollten sich beteiligen, wir hatten uns alle sehr gefreut. Nun fand die Wave nicht zentral statt, sondern digital und dezentral.

Ja, manchmal gibt es einen Plan B. Aber gibt es auch einen Planeten B? Einen Planeten, auf den wir ausweichen könnten, wenn wir es geschafft haben, mit unserer Lebensweise unsere Erde unbewohnbar zu machen?

Wie gut, dass heute auch ein Fachkundiger mit uns tanzt, der die Antwort auf diese Frage kennt: Ein Astronaut! Mit Helm und metallisch glänzendem Raumfahreranzug hält er ein Schild in seiner Hand, auf dem er uns in großen, schwarzen Lettern berichtet, was seine Expeditionen im All ergeben haben: „THERE IS NO PLANET B“.


Red Rebels auf der Oberbaumbrücke (21. Juni.2020)

Right here, right now! – Der Wandel beginnt in unseren Herzen

Bei allen Problemen, die das Coronavirus mit sich gebracht hat: In der Krise eröffnen sich auch neue Möglichkeiten. Jetzt ist der Zeitpunkt, um den dringend notwendigen klimapolitischen Richtungswechsel einzuleiten.

„Right here, right now!“ – wir tanzen weiter zu elektronischen Tanzbeats mit einem Sample aus Greta Thunbergs Rede beim UN-Klimagipfel in New York (im September 2019).

Gerade jetzt, in der Coranakrise, haben wir die Chance, auch gesellschaftliche Veränderungen einzuleiten, sagt DJ Tomekk. Und: „Der Wandel beginnt in unseren Herzen!“ - Genau das können wir hier erleben, mitten auf der Kottbusser Straße, wo wir auch den grünen Mittelstreifen als Tanzfläche erobern.

“People are suffering, people are dying, entire ecosystems are collapsing”, sagt Greta Thunberg zu Technorhythmen. “We are in the beginning of a mass extinction! And all you can talk about is money and fairytales of eternal economic growth. How dare you?”

Am Kottbusser Tor erwarten uns Gäste. Amaya von der Initiative 100 % Tempelhofer Feld erklärt sich solidarisch mit den Zielen von XR und macht in ihrer Rede klar, wie wichtig es gerade auch in einer Stadt wie Berlin ist, natürliche Lebensräume zu erhalten.

Bevor wir weiter ostwärts ziehen, gibt’s unter der Hochbahn noch einen Überraschungsauftritt: eine Live-Musik-Einlage von Feldmusik, zu der wir begeistert unsere Tanzbeine schwingen.

Am Kottbusser Tor

Power to the people!

Nach unserer zweiten Performance an der Straßenkreuzung am Lausitzer Platz heißt Mitinitiatorin Elena auch die Neuankömmlinge in unserem Zug willkommen – und diese sind zahlreich.

„Bail Out The Planet“ – Elena erinnert an das Motto dieser Wave, bei der es um die Frage geht: „Wie wünschen wir uns die Welt?“ – Ja, mehr Klimagerechtigkeit wünschen wir uns, mehr Mitsprache durch Bürger:innenversammlungen und nicht zuletzt auch ein besseres Zusammenspiel zwischen Stadt und Natur – wie gerade hier, in der Skalitzer Straße, wo immerhin noch Linden stehen. „Wir haben in der gesamten Woche erlebt, wie viel positive, friedliche Energie von Menschen zusammenkommen kann, wenn wir es nur wollen.“, freut sich Elena. „Weiter so war gestern! Act Now!“

„Power to the people!“, stimmt Martina an. Sie kann nicht nur tanzen, sondern auch sehr gut singen. Wir antworten im Chor - so gut dies eben möglich ist. Denn durch die Atemschutzmasken ist die Akustik unseres Gesangs freilich merkwürdig gedämpft.


Auch Artisten des Zirkus' Cabuwazi sind mit dabei (hier auf der Oberbaumbrücke)

Get Yourself Connected!

Fröhlich tanzend ziehen wir weiter, die Atmosphäre ist die ganze Zeit großartig. Es erklingen Technobeats der ausgehenden 1980er, und spätestens jetzt werden bei den Älteren unter uns gar Erinnerungen an die erste Love Parade wach - mehr als 30 Jahre sind seitdem vergangen. Doch für Sentimentalitäten haben wir keine Zeit. Heute tanzen wir ohne Drogen, dafür mit Masken.

Als wir die Oberbaumbrücke erreichen, drehe ich mich um und staune: Wie viele freundliche Menschen sich jetzt hier versammelt haben und gemeinsam tanzen!

"I'm gonna get myself connected", singen die Stereo MC's. Ja, wir müssen uns zusammenschließen! Nur so können wir unsere Ziele erreichen.

„We are unstoppable, another world is possible!”

Ich genieße den weiten Blick über die die Spree. Am Tag zuvor sind hier die Boote der Wasserdemo spreeabwärts gefahren. An einzelnen Stationen haben Kundgebungen zu verschiedenen Themen stattgefunden. Hier an der Oberbaumbrücke war das Motto: "Solidarität mit der Erde".

Ja, es ist höchste Zeit für ein Umdenken in unserer Gesellschaft. Grenzenloses Wachstum ist keine Lösung, denn es führt nicht nur zu massiver Zerstörung der Natur, sondern ist zugleich auch menschenverachtend und verstärkt soziale Ungleichheiten.

Auch Teilnehmer:innen einer Fahrraddemo, die parallel zur Bootsdemo verlief, hatten sich hier gestern versammelt. Doch leider hat es in Strömen geregnet. Heute haben wir mehr Glück, das Wetter spielt mit.

Auf dieser schönen Brücke an der Grenze zwischen Kreuzberg und Friedrichshain zelebrieren wir unsere Performances ein drittes Mal. Staying Alive. Think.

Mittlerweile scheint die Sonne. Noch einmal fallen wir um - „Die In“. Die Straße über der Spree ist nun angenehm warm. Aus dieser Perspektive hatte ich diese burgartigen Backsteintürme noch nie gesehen. Ich blicke in den blauen Himmel, vor dem nun die leuchtend roten Fahnen der Red Rebels erscheinen und im Wind flatternd unsere Botschaft verkünden: THINK!

Act Now!

Die Situation ist ernst, und deshalb ist auch Emily nicht bereit, die Tatenlosigkeit der Politiker:innen zu akzeptieren. Das erklärt sie in ihrer engagierten Rede. Und sie hat viele Gründe, wütend zu sein: Wie soll sie ihren Kindern erklären, warum es Nemo bald nicht mehr gibt?

Klar, Breaking News sind es nicht, die wir heute kommunizieren. Aber das ist es ja gerade! Und gewiss, hier in Kreuzberg und Friedrichshain haben wir mit unserer Message natürlich auch ein Heimspiel. Doch ich bin sicher, es gelingt uns heute tatsächlich, etliche Menschen neu dafür zu sensibilisieren, wie dringend die Problematik mit dem Klima ist. Und sie davon zu überzeugen: Wir müssen handeln, jetzt!

Die In auf der Oberbaumbrücke

Let's Get It Started

Nach dem Finale auf der Oberbaumbrücke geht’s noch heiter tanzend weiter Richtung Friedrichshain, zu “Let's Get It Started” der Black Eyed Peas.

In goldener Abendsonne erreichen wir das RAW-Gelände in der Revaler Straße, wo Versammlungsleiterin Lucie gegen 18 Uhr die Demonstration für beendet erklärt. Ich überlege, ob ich noch mitkomme zum Abschlusstreffen bei Sonnenuntergang auf dem Tempelhofer Feld.

So vieles war unsicher, bis zuletzt. Die durch die Pandemie geschaffenen Bedingungen waren und sind für viele von uns schwierig, und von vielen unserer Pläne mussten auch wir uns verabschieden. Die Aktionen den veränderten Realitäten anzupassen war eine ziemliche Herausforderung. Und natürlich ist es auch sehr schade, dass es nicht möglich war, unser ursprüngliches Vorhaben - die große zentrale Performance - zu realisieren.

Doch zugleich es ist auch eine große Freude (und ein großer Erfolg), dass es uns gelungen ist, den widrigen Umständen zu trotzen - und ein solches Ereignis wie heute dennoch möglich geworden ist.

"Staying Alive!" (Tanz-Performance auf der Oberbaumbrücke)

Das ist erst der Anfang

Beim Start am Hermannplatz war ich etwas erschöpft, denn eine anstrengende Woche liegt hinter mir. Nun bin ich seit fünf Stunden in Bewegung und wundere mich darüber, dass ich kein bisschen müde bin.

Einige, die bei dieser wunderbaren Aktion heute dabei waren, sagen mir, dass sie daraus neue Hoffnung schöpfen können, neuen Mut und frische Energie.

Es war schon ein erstaunliches Ereignis, das heute in Neukölln, Kreuzberg und Friedrichshain stattgefunden hat. - Musik und Tanz, Performance und Zirkusakrobatik, Reden, Gesang und Kostüme, überbordende Lebensfreude und existenzieller Ernst, ausgelassenes Feiern und politische Botschaft … Zufällig vorbei kommende Passant:innen, die stehen bleiben, zuschauen, staunen, nachdenken, spontan mit uns tanzen und sich begeistert unserem wilden Demonstrationszug anschließen ... - Es ist eine ganze Weile her, dass ich so viele lächelnde Gesichter gesehen habe.

Die unterschiedlichsten Elemente sind zusammen gekommen, und ich staune, wie stimmig sich all die verschiedenen einzelnen Bestandteile zusammengefügt haben und miteinander verschmolzen sind zu etwas Neuem. Und wie lebendig das alles auch mit den Zufälligkeiten der städtischen Umgebung kommuniziert und interagiert hat!

Ja, es ist weder übertrieben noch zu pathetisch, zu sagen: Es war ein ganz famoses und bewegendes Gesamtkunstwerk, das wir hier heute erleben konnten und dessen Teil wir werden durften.

Was für ein grandioser Abschluss dieser Rebellion Week!

Und welch ermutigendes und motivierendes Signal für unsere künftigen Vorhaben!

Am Ende dieses fulminanten Tanz-Zugs wissen wir:

Das war erst der Anfang.

Let’s get it started!


Denn:

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