ARTENSTERBEN – WIR TRAUERN ÖFFENTLICH

Geschrieben von Reinhard zur Aktion in Nürnberg am 27.04.2019 am 27.04.2019

Ich bin ein Neuling. Keiner mit einer langen Aktivistenkarriere, der sich nur eine neue Spielwiese sucht. Meine letzte Demo war 86, als Reagan Tripolis bombardieren ließ. Damals lief man spontan zum Amerikahaus und reimte „Reagan ist – ein Mörder und Faschist“.

Am Samstag war eine Aktion, organisiert von der Münchner und Nürnberger XR-Gruppe, mit Teilnehmer*innen von XR-Regensburg, Fridays for future, dem BUND, parents for future, den Bluepingus und vielen anderen Menschen, nicht nur aus Nürnberg, sondern auch aus Würzburg, Passau und dem Allgäu. Eine Aktion, bei der ein Sarg quer durch die Innenstadt getragen wurde. Zur Erinnerung an die Tierarten, die bereits endgültig aus dem Universum verschwunden sind. Ganz ohne Parolen, ohne Lärm. Eine einzelne Trommel an der Spitze des Zuges. Ein paar bunte Fahnen mit dem Logo von XR – und am Rand des Zuges ein Dutzend freundliche Menschen, die den Passanten einen Flyer in die Hand drückten, um was es geht.

Der Neuling, der da mitläuft und sich die Reaktionen so anhört, die sich da am Rand ergeben, ist erstaunt. Ein paar „Ach so, wieder was mit Umwelt“, ein paar zücken ihre Handys oder Tabletts, aber die meisten lesen den Zettel, nicken zustimmend, finden es gut. Selbst wenn der Zug für Minuten den kompletten Verkehr aufhält – keine bösen Worte bei den Umstehenden.

Auch im Zug – da laufen ältere Damen mit, die sagen „Wir haben früher viel gemacht – aber jetzt gibt es wieder Hoffnung. Es gibt wieder junge Leute, die etwas machen, da sind wir dabei.“

Als Claudia Dollinger-Höps von der katastrophalen Situation auf den Feldern in Mittelfranken erzählt, wird es still auf dem Platz vor der Lorenzkirche. Dass die Brunnen schon austrocknen war den Leuten nicht bewusst. Es ist ein Unterschied, ob der Klimawandel die Meere um ein paar Zentimeter ansteigen lässt – oder unmittelbar die eigene Lebensgrundlage bedroht. Man hat vielleicht von Sandstürmen in Ostdeutschland gelesen, aber das war sicher ein Problem der DDR-Monokulturen. Aber dass es das auch bei einem kleinen Landwirt in Franken gibt.

Der Straßenmusikant, der vor der Lorenzkirche sitzt, hat seine Gitarre weggelegt, hört zu und klatscht am Schluss Beifall. Eine Aktion, die Wirkung zeigt auf die Passanten? Es ist kaum zu fassen, aber sie tut es. Selbst der Polizist, der den Zug begleitet und regelmäßig die Bewegungen des Zuges durchgibt, damit die Straßen rechtzeitig gesperrt werden, ist beeindruckt.

Es ist diese Ernsthaftigkeit, die überspringt. Dass hier niemand seine persönlichen Eitelkeiten pflegt, dass keine Fahnen von Parteien wehen. Dass hier keine Kampfparolen skandiert werden. Dass hier Leute stehen, denen bewusst ist, dass es hier nicht um Pöstchen und Pfründe geht, sondern um das Überleben.

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