Schluss mit dem fossilen Wahnsinn: Ansturm auf Ölturm
Ein Ölturm steht mitten in Berlin. Klingt wahnsinnig? – Ist es auch. Genauso wie die Sucht nach fossilen Energien, gegen die wir heute im Herzen Berlins demonstrieren. Einem irrsinns Polizei-Aufgebot zum Trotz kleben und ketten sich Aktivist:innen auf der Friedrichstraße und am Potsdamer Platz fest.
Rebelli trotzen Großaufgebot der Polizei
Die Polizeikräfte sind heute überall. So wird schon der Weg zur Aktion eine Herausforderung. Gruppen müssen sich trennen, um nicht aufzufallen. Aus der U-Bahn und über die Seitenstraßen strömen die Rebelli zur Doppelblockade im Herzen Berlins an der Kreuzung Unter den Linden / Friedrichstraße. Die Banner werden ausgerollt, die Leute bilden eine Kette und verteilen sich auf der Straße. Keine fünf Minuten später sind die ersten Polizist:innen vor Ort. Eine weitere kleine Gruppe schafft es gerade so, sich noch zur Nord-Blockade dazuzusetzen, bevor sie eingekesselt wird. Die Blockade auf der anderen Seite ist noch viel größer. Um 10:45 Uhr ist der Verkehr an der Station Unter den Linden in beide Richtungen lahmgelegt.
Wir wollen überleben
Unser Protest findet da statt, wo es der Politik weh tut: Am Friedrichsplatz haben viele Botschaften, Bundestagsbüros und Lobbybüros, wie der Bundesverband der "Deutschen Luftverkehrswirtschaft", "Zukunft Erdgas" und der "Wirtschaftsverband Fuels und Energie e.V" ihren Sitz. Sie sind Treiber der Sucht nach fossiler Energie. Gegen sie stehen heute rund 250 Menschen auf der Straße. Etwa 25 von ihnen setzen sich auf den Boden und kleben ihre Handflächen am Asphalt fest. Um sie herum weitere Menschen mit Fahnen und Schildern. Ihre Rufe durchschneiden die Luft: „What do we want? Climate Justice! When do we want it? Now!“ Ein Banner fordert: “Wir wollen überleben!” Passant:innen staunen und werden mit XR-Flyern versorgt.
Ein Glue-On der Extraklasse
Einer der Aktivist:innen zeigt besonderen Einsatz: Seine Finger verschwinden in einer weißen Masse, die in den Asphalt übergeht. Weil er sich mit Sekundenkleber und Silikon auf der Straße fixiert hat, dauert die Blockade besonders lang. Er sitzt auch noch im zweiten Regenschauer dieses Mittags auf der Kreuzung. Seine Hand wird mit einem Stück Asphalt aus der Straße geflext.
Ein störender Ölturm
Ein fast 6 Meter hoher, pinker Ölturm steht mitten in Berlin. Im Zentrum der zweiten Aktion, die um 11:45 Uhr startet: Der Wahnsinn unserer Sucht nach fossilen Energien. Unten am Turm haben sich Aktivist:innen mit Sekundenkleber fixiert. Von oben erschallt eine Rede: “Die Regierung reagiert auf die Energiekrise, indem sie einfach weiter in fossile Energien investiert. Das sind Methoden von gestern, die unsere Lebensgrundlage bedrohen. Wir nehmen das nicht mehr hin!” Durch den Regen wird es kalt – am Fuß des Bohrturms glitzern gold und silber die Wärmedecken der Angeklebten.
Wolf ist auch mitten im Geschehen und hält seine Gedanken in einem Blog Artikel fest: Comfortably numb.
Oilheads kriegen den Hals nicht voll
Der Weg der Regierung in den tödlichen Klimakollaps verläuft über die Gier nach Öl, Gas und Kohle. Trotz Energiekrise hält sie an der Förderung der fossilen Energien fest. Das ist Wahnsinn. Genauso wahnsinnig sind die Oilheads. Verkleidet als stinkreiche Player der fossilen Lobby springen vier Aktivist:innen mit Kanistern auf den Köpfen im Regen herum. Ihre Anzüge sind durchnässt und sie wedeln mit Geldscheinen. Nur Profit im Kopf. Der Preis dafür: Die Zerstörung unserer aller Lebensgrundlage.
Endlich: Regierung reißt Ölturm ein
Ein Bild, das wir uns schon lange wünschen: Der Ansturm der Polizei auf ein WAHRES Verbrechen – sie reißen den Ölturm ein, nachdem sie mit Kettensägen die festgeklebten Aktivist:innen aus dem Holz geschnitten haben. Ein grüner Polizei-Traktor schiebt Stunden später den Turm von der Straße.
Leise sein kann auch inspirieren
Etwa 40 Menschen versammeln sich unweit der Deutschen Bank am Nachmittag zu einer angemeldeten Geh- und Sitz-Meditation. Bevor es losgeht, werden alle mit einem Schild zum umhängen ausgestattet. “Deutsche Bank – Stopp der Finanzierung von Kohle, Öl & Gas” steht darauf. Von Polizeikräften kritisch beäugt bewegt sich die Gruppe in langsamen, kleinen Schritten Richtung Bankfiliale. “Ich nehme alles viel intensiver wahr”, wird eine Teilnehmerin später reflektieren. Oder auch, wie ruhig und friedlich sich das Gehen anfühlt. Für die 200m Wegstrecke entlang der Friedrichstraße brauchen wir etwa eine Stunde, ein starker Kontrast zu den sonst eilig Vorbeiziehenden.
Ein Liebesbrief an die Deutsche (fossile) Bank
An der Bankfiliale angekommen, steht und sitzt die Gruppe vor dem Eingang. Ein paar Banner einer vorherigen Aktion werden mit ausgepackt. Es dauert nicht lange und der Filialleiter taucht auf, um sich ein Bild der Lage zu machen. Bei dieser Gelegenheit übergeben wir ganz offiziell einen Liebesbrief an die Deutsche Bank, den wir nach dem Vorbild des engagierten Buddhismus verfasst haben: nicht anklagend, sondern wertschätzend und wissend, dass es noch viel Verbesserungspotenzial beim Umgang mit Investments gibt. Angelegtes Geld in sogenannten stranded assets zu verlieren, also durch Umstände wertlos gewordene Investitionen, wünscht sich keine Bank. Also lieber schnell raus aus den Fossilen! Dem Filialleiter ist es sichtlich unangenehm, mit so viel Ruhe und Liebe konfrontiert zu sein. Und die Gruppe ist sich einig: Diese Aktionsform war schön und inspirierend. Ein Stückchen Entschleunigung nehmen wir mit in die nächsten Tage.
Medien-Resonanz
TAZ
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