Stellungnahme B1

Geschrieben von Dominik am 14.06.2021

Bei der B1 Blockade am 13.06.2021 der Umweltgruppe Extinction Rebellion verhielt sich die Polizei in vielerlei Hinsicht rechtswidrig. Es kam zu nicht gerechtfertigtem Freiheitsentzug und Polizeigewalt. Extinction Rebellion Dortmund prüft rechtliche Schritte.

„Polizeigewalt und stundenlanger Freiheitsentzug sind für uns nicht hinnehmbar. Friedlicher, demokratisch legitimer Protest darf von der Polizei nicht kriminalisiert werden. Wir werden trotzdem weitermachen, denn unsere Welt befindet sich in einem Notfall und wir sind der Alarm!“ – Dominik Lange, Extinction Rebellion Dortmund.

Am Sonntag um 12 Uhr blockierten unangemeldet 100 Menschen die B1, um sofortige Maßnahmen gegen die Klimakrise und das Artensterben wie einen raschen Ausbau des Radschnellweg Ruhr zu fordern.

Die Polizei traf wenig später ein und konzentrierte sich zunächst auf die Umleitung des Verkehrs. Als ein aggressiver Passant Versammlungsteilnehmer:innen Banner entriss, anfasste und verbal angriff, sicherte die Polizei die Versammlung erst nach mehrfachen Aufforderungen, stellte sich zwischen die Teilnehmenden und den Passanten und ließ diesen dann gehen.

Die Polizei behandelte die Blockade richtigerweise als Versammlung (Art. 8 GG Abs. 1). Die Anwesenden sangen, tanzten oder nutzten die freie Fahrbahn für eine kleine Radtour. Gegenüber mehreren Passant:innen bestätigten Polizeibeamte , dass die Teilnahme an der Versammlung legal wäre und sie sich dazu setzen dürften.

Gegen 15:30 rückten weitere Einsatzkräfte an. Diese umstellten ohne Ankündigung die Personen sowohl auf der Fahrbahn als auch auf dem Gehweg, außenstehende Personen wurden sogar dazu aufgefordert, sich innerhalb des Sicherungskreises zu begeben. Die Anwesenden konnten nur noch mit Angabe ihrer Personalien die Versammlung verlassen. Das stellt einen klaren Rechtsbruch dar, da die Versammlung zu diesem Zeitpunkt nicht aufgelöst war. Die Polizei machte Fotos und Videos von der Versammlung. Ein weiterer Rechtsbruch, da Bild- und Tonaufnahmen von einer friedlichen Versammlung verboten sind (§ 12a VersmmlG).

Erst ab 16:04 begann die Polizei die Versammlung aufzulösen. Die Polizei gab zu diesem Zeitpunkt den Anwesenden keine Möglichkeit, die legale Versammlung zu verlassen und machte dies auch bei ihrer Auflösungserklärung klar. Das Legal Team von XR NRW hält die Auflösung daher für formell und materiell eindeutig rechtswidrig.

Räumung [Triggerwarnung: Polizeigewalt]

13.6.21 TRIGGERWARNUNG #Polizeigewalt von der Polizei Köln in Dortmund aus der B1

© Der Pilger

Ab 16:34 begann die Räumung der Fahrbahn. Dabei wurden Sitzende, die nicht freiwillig aufstehen wollten, zum Teil schmerzfrei von der Straße getragen, bei mindestens fünf Personen wurden jedoch Schmerzgriffe angewendet, um sie zum Aufstehen und Verlassen der Straße zu zwingen. Neben körperlichen Schmerzen ist dieses Verhalten für die Opfer, die sich friedlich für eine gerechtere Welt einsetzen, auch psychisch belastend. Die Polizei ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeit dazu verpflichtet, immer das mildeste Mittel an körperlichen Zwang anzuwenden. Die Schmerzgriffe waren nicht erforderlich und es war auffällig, dass diese erst eingesetzt wurden, als die Presseteams nicht mehr vor Ort waren. Es waren ausreichend Polizeikräfte dort, um alle Anwesenden schonend wegzutragen.

Anschließend wurden alle Versammlungsteilnehmenden im sogenannten Zwischengewahrsam im Freien weitere Stunden festgehalten. Trotz stundenlangem Freiheitsentzug wurden nachmehrmaligen Nachfragen Toilettengänge verwehrt, die Polizei sorgte erst sehr spät für ausreichend Schatten und stellte auch kein Wasser zur Verfügung. Der Freiheitsentzug dauerte bei den letzten Personen bis ca. 19:30 Uhr. Die Personalien aller Anwesenden wurden aufgenommen, es wurden Fotos angefertigt und eine Durchsuchung des Körpers und der Rücksäcke durchgeführt. Betroffen waren alle Anwesenden, auch Personen, die auf dem Gehweg geblieben waren.

Drei Personen weigerten sich ihre Personalien anzugeben und wurden daraufhin in Gewahrsam genommen und in eine Polizeiwache gebracht. Zwei davon hatten sich nicht auf der Fahrbahn aufgehalten, sondern sich nur als Vermittlungspersonen zur Verfügung gestellt. Sie wurden also für eine vertrauensbildende Maßnahme sanktioniert, die in NRW üblicherweise im Interesse beider Seiten von der Polizei im Rahmen ihrer Kooperationspflicht gerne angenommen wird.

Wie bei allen XR Aktionen war jederzeit sichergestellt, dass auf Zuruf sofort eine Rettungsgasse für Feuerwehr- und Rettungswagen gebildet werden konnte. Eine Wende- und Weiterfahrmöglichkeit für alle PKW bestand von Anfang an. Der Tatbestand Nötigung, der allen Versammlungsteilnehmenden vorgeworfen wird, ist deswegen nicht nachvollziehbar.

Diese neue Polizeistrategie gegen eine friedliche Versammlung steht in keinem Verhältnis zu den Vorwürfen. Legitimer Protest wird auf diese Weise kriminalisiert und die Versammlungsfreiheit eingeschränkt.

Auf Twitter berichtete die Polizei Dortmund regelmäßig über die Versammlung, viele der Aussagen waren aber grob falsch. So behauptet die Polizei: „Die Personalien aufzunehmen ist rechtmäßig, da hier mindestens eine Ordnungswidrigkeit im Raum steht. Ob es sich auch um Straftaten handeln könnte, werden im Nachhinein die Ermittlungen ergeben und Gerichte entscheiden.“ Später schreiben sie weiter: „Wir reden hier über eine nicht angemeldete Versammlung. Das ist nicht erlaubt. Ob Sie es wollen oder nicht. Und wenn dann noch hunderte Unbeteiligter ihren Weg nicht fortsetzen können.... irgendwas ist doch da nicht richtig, oder?“

Entgegen der ständigen Rechtsprechung, dass die reine Teilnahme an unangemeldeten Versammlungen sanktionslos zu verbleiben hat, wurde der Öffentlichkeit durch den Twitter Account @polizei_nrw_do sachwidrig nahegelegt, die bloße Teilnahme verstieße gegen das Versammlungsgesetz und rechtfertige Personalienfestellung und Gewahrsam.

Das Recht an der Teilnahme einer Versammlung, auch einer nicht angemeldeten, ist in Art. 8 GG geschützt. Das Vorgehen der Polizei Dortmund vor Ort und auf Twitter zielte auf massive Einschüchterungswirkung auf die gesamte Zivilgesellschaft ab. Genau vor diesem „chilling effect“ schützen Grundgesetz und Europäische Menschenrechtskonvention.

Extinction Rebellion Dortmund prüft nun rechtliche Schritte gegen die Maßnahmen der Polizei.

PS: Eine Teilnahme an einer aufgelösten Versammlung kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden (§ 29 (1) a VersmmlG). Eine Ordnungswidrigkeit ist keine Straftat. Dortmunder Gerichte stellten zuletzt drei Ordnungswidrigkeitsverfahren nach Einspruch auf Grundlage eines Notstands wegen der Klimakrise ein. Die Verfahren waren im Rahmen der Blockade vom Südwall vom 02.09.2021 eingeleitet worden. Die Beschuldigten mussten die Strafen von ca. 90€ nicht bezahlen.

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