Statements

Hier wollen wir Ereignisse rund um die Kriminalisierung von Klimaprotest einordnen und kommentieren.


Potsdam, 28. November 2022

Gemeinsam Stellungnahme von XR Potsdam und weiteren Potsdamer Gruppen:

Keine Präventivhaft für Klimaaktivismus!

Unser Freund und Weggefährte Richi aus Potsdam war einer von 19 Personen, die für drei Wochen in München/Stadelheim in Vorbeugehaft festgehalten wurden. Am 25. November 2023 wurden er und die anderen aus der Haft entlassen. Nach dem bayerischen Polizeigesetz ist auf richterliche Anordnung eine derartige Sonderhaft möglich, wenn zu erwarten ist, dass Straftaten begangen werden könnten. Die Haft kann zudem nach vier Wochen noch einmal um vier Wochen verlängert werden. Der Paragraph, auf dessen Grundlage die Sonderhaft möglich ist, wurde angeblich zur Abwehr von Terrorismus eingeführt. Nun wird er gegen Menschen benutzt, die Straßen blockieren. Blockaden sind ein Mittel des zivilen Ungehorsams, das in der Geschichte der sozialen Bewegungen der Bundesrepublik oft versucht wurde zu kriminalisieren, meistens aber durch das Versammlungsgesetz gedeckt gewesen ist. Eingebettet wird die Diskussion um die Inhaftierung von Klimaaktivist:innen durch verbale Entgleisungen namhafter Politiker:innen und eine Gleichsetzung von Klimaaktivismus mit Terror!

Wer ist hier eigentlich kriminell!?
Das, was Regierende im globalen Norden an Maßnahmen gegen den Klimawandel auf den Weg bringen, gleicht einer Arbeitsverweigerung. Der letzte Klimagipfel in Ägypten hat gezeigt, dass die Herrschenden eher damit beschäftigt sind, den auf fossilen Brennstoffen basierenden Kapitalismus im Ablauf nicht zu stören, als geeignete Maßnahmen gegen die wissenschaftlich erwiesenen und überall zu erkennende Klimaveränderung auf den Weg zu bringen. Der deutsche Verkehrsminister, als ein Beispiel, hält sich mit seinem Klimaprogramm nicht einmal an die gesetzlichen Vorgaben! Seine „Arbeit“ sollte Gegenstand gerichtlicher Verhandlungen sein und nicht der zivile Ungehorsam von Menschen, die auf das Missverhältnis von großspurigen politischen Ankündigungen und wirklichen Taten hinweisen wollen.

Die Klimafrage wird zur Frage um Grundrechte.
Immer dann, wenn soziale Proteste Druck aufbauen, nutzen Herrschende das ganze Arsenal der repressiven Werkzeuge, um zu diskreditieren, einzuschüchtern und Proteste zu zerschlagen. Hetze aus allen Parteien bereitet den Weg, um Gesetze zu verschärfen und sich nicht mit Forderungen nach z.B. geeigneten Klimamaßnahmen auseinander setzen zu müssen. Der Wind, der der Klimabewegung entgegen schlägt, ist die Macht derer, die nichts anderes tun, als ihren politischen Auftrag darin zu sehen, den zerstörerischen und auf Ausbeutung natürlicher Ressourcen und menschlicher Arbeitskraft basierenden Kapitalismus zu gewährleisten. Bürgerrechte gelten nur solange, wie sie das demokratische Bild schmücken, werden aber umso schneller geopfert, wenn sie lästig werden.


Spontane Kundgebung vor dem Innenministerium

Wir haben heute gemeinsam mit verschiedenen Gruppen spontan vor dem brandenburgischen Innenministerium protestiert, weil wir nicht nur die Verschärfung der Polizeigesetze ablehnen, wie es Innenminister Stübgen heute gefordert hat, sondern auch die vor einigen Jahren verschärfte Form!
In der aktuellen Diskussion geht es in erster Linie natürlich um die globale Klimaveränderung. Das ist gut so und auch die Leistung derer, die bereit sind, dafür eine Sonderhaft in Kauf zu nehmen. Es geht aber auch darum, die Demonstrationsfreiheit zu verteidigen und den Fokus von rechter Hetze auf eine gesellschaftliche Diskussion um angemessene Maßnahmen gegen die anstehenden Herausforderungen zu verschieben. Dafür sollten alle, denen die Zukunft der Menschheit am Herzen liegt, auch Straßen blockieren, Braunkohlebagger besetzen und auch an Orten Widerstand formieren, wo es einigen besonders weh tut!

Präventiv gegen die Klimakrise statt Präventivhaft für Aktivist*innen!

Quellen & Links:


Potsdam, 23. November 2022

Richi aus Potsdam ohne Prozess für Klimaprotest eingesperrt

Richi ist Ingenieur. In seiner Arbeitszeit entwickelt er Strategien, wie Unternehmen ihren Energiebedarf und ihre Emissionen senken können. In seiner Freizeit setzt er sich schon lange für den Erhalt unserer Umwelt ein. Seit 2019 ist er auch in der Klimagerechtigkeitsbewegung in Potsdam und Berlin aktiv. Er war mit uns drei Jahre lang auf Demos, hat Petitionen unterschrieben, hat mit und für uns Dinge gebastelt, damit unsere Aktionen bunt werden.

Doch von effektivem Klimaschutz ist trotz aller Lippenbekenntnisse noch immer nichts in Deutschland zu sehen. Die Bundesregierung verfehlt Jahr um Jahr wieder krachend ihre selbstgesteckten, aber unzureichenden Klimaziele.

Jetzt war Richi mit der letzten Generation in München auf der Straße. Gemeinsam mit anderen Menschen hat er friedlich und gewaltfrei eine Straße blockiert, weil die Regierung immer noch ihr Versprechen bricht, uns und alle weiteren Generationen zu schützen. Gestern wurden er und zwei weitere Mitstreiter*innen ohne Prozess ins Gefängnis gesperrt, weil sie sich für unser aller Überleben einsetzten.

Wir wollen nicht länger zusehen, wie die Regierung eine rote Linie nach der anderen überschreitet. Deutschland bricht das Völkerrecht, indem wir das Pariser Abkommen missachten. Deutschland hat schon heute keine Chance mehr, das 1,5 Grad Budget einzuhalten.

Und dennoch werden Menschen eingesperrt, die darauf Aufmerksam machen und endlich effektive, einfache Klimaschutzmaßnahmen wie ein bundesweites Neun-Euro-Ticket und die Einführung eines Tempolimits einfordern.

Mit dem Vorgehen in München wird offensichtlich ignoriert, wer hier Täter und wer Opfer ist. Diese einschüchternde Verfahrensweise seitens der bayerischen Landesregierung zeigt einmal mehr, dass es keinen Willen gibt, Klimaschutz ernst zu nehmen und wirksame Maßnahmen einzuleiten, die tatsächlich sofort in die CO2 Reduzierung einzahlen würden.

Menschen, die sich für Klimaschutz einsetzen, werden hier nicht als Verbündete auf dem Weg zu einer klimagerechten Welt betrachtet, sondern als Verbrecher*innen.

Wir können dieses absurde und erschreckende Vorgehen des bayerischen Polizeiapparats mit seiner offensichtlich klimaschutzfeindlichen Auslegung nicht hinnehmen. Wir fordern und erwarten, dass unsere Regierung ihrem Versprechen nachkommt und uns und alle weiteren Generationen schützt.

Volle Solidarität mit Richi! Wir stehen an deiner Seite.

Liebe und Wut 🌱

Extinction Rebellion Potsdam

Quellen & Links:


Potsdam, 4. November 2022

Einordnung eines tragischen Unfalls

Am Montag hat ein Betonmischer ohne Abbiegeassistent eine Radfahrerin überfahren und lebensgefährlich verletzt. Aufgrund eines Staus, der sich nach einer Blockade der Klimaschutzbewegung „Letzte Generation“ gebildet hat, kam ein Spezial-Rettungsfahrzeug einige Minuten verspätet am Unfallort an. Inzwischen ist die Radfahrerin aufgrund ihrer Verletzungen verstorben.

Wir möchten nun die nach dem Vorfall entbrannte Diskussion einordnen.

Zuerst möchten wir unser tiefes Mitgefühl mit den Angehörigen und unsere Trauer über eine weitere verstorbene Radfahrerin ausdrücken. Alle, die schon einen lieben Menschen auf diese Weise verloren haben, wissen, dass dies die Verstorbenen nicht zurückbringt und maximal bei der Trauerbewältigung ein wenig Linderung verschaffen kann.

Gleichzeitig wollen wir unsere Erschütterung über die entbrannte Diskussion in klassischen und sozialen Medien darlegen. Die reflexartige Benennung der Klimaaktivist*innen als alleinige Schuldige am Tod der Radfahrerin lässt jedes Maß an Realitätssinn vermissen. Weder werden Ermittlungsergebnisse abgewartet, noch wird versucht die tatsächlichen und vielschichtigen Gründe für dieses Drama zu benennen: Da ist der LKW, der keinen Abbiegeassistenten hatte, weil dieser in Berlin noch immer nicht vorgeschrieben ist. Da ist die Tatsache, dass es in ganz Berlin nur 2 dieser speziellen Rettungsfahrzeuge gibt. Da sind die vielen Autofahrer*innen im Stau, die es nicht schaffen eine Rettungsgasse zu bilden. Da ist das politische Unvermögen dem stark anwachsenden Verkehr Einhalt zu bieten. Da sind die vielen unsicheren Radwege. Und so weiter. Natürlich sind in dieser Gemengelage auch die Aktivist*innen, die stören und Staus verursachen.

Aber statt all die Faktoren, die zu dem tragischen Unfall geführt haben zu benennen, wird von allen Seiten auf diejenigen eingehauen, die mit viel Mut und Selbstaufopferung dem fossilen Wahnsinn und einem Weiterso die Stirn bieten. Ihnen wurde in den letzten Tagen gedroht, sie wurden beschimpft und ihnen wurde die alleinige Schuld an dem Unfall zugeschoben – von Politik, Medien und auch die Berliner Staatsanwaltschaft spricht vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung.

Dieser Vorwurf dürfte nun vom Tisch sein. Einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge soll die Klimablockade in Berlin keinen Einfluss auf die Notfallversorgung gehabt haben. Die Zeitung berief sich auf einen internen Vermerk der Feuerwehr, welcher vom ärztlichen Leiter des Rettungsdiensts in Berlin unterzeichnet wurde. Demnach soll die Notärztin ohnehin entschieden haben, dass der Betonmischer nicht mit einem Spezialfahrzeug angehoben werden sollte.

Genau wie in den Reaktionen auf die Aktion im Barberini, zeigt sich auch jetzt wieder: All die Aufregung über die Aktionen der Letzten Generation ist polemisch, ideologisch und weit weg der Faktenlage. Dass sich Politik und Medien daran beteiligen, ist erschreckend.

Der UN-Generalsekretär, António Guterres, bezeichnet die aktuelle Art von politischer Führung als kriminell. Auch sämtliche Klimaberichte beweisen, dass nicht genügend getan wird, um die Klimaziele zu erreichen.

Wir drängen die Menschen in politischer Verantwortung: Es dürfen nicht weitere Menschen auf deutschen Straßen sterben! Baut eine Infrastruktur, die Radfahrende schützt, baut den ÖPNV aus, führt das 9€-Ticket wieder ein (wer kann sich 49€ leisten?), führt ein Tempolimit auf Autobahnen ein!

Die mutigen und entschlossenen Aktivistinnen und Aktivisten möchten wir bitten: Lasst euch nicht abhalten, den Kampf gegen die Klimakrise fortzusetzen. Passt auf euch auf und plant weiter so gut und verantwortungsvoll eure Aktionen.

Politik und weite Teile der Medien zeigen in ihren Reaktionen auf den Unfall: Klimagerechtigkeit muss auf der Straße erstritten werden! Unsere Unterstützung beim Leisten von zivilem Ungehorsam, ist gewiss. Wir sind und bleiben solidarisch mit allen, die sich gewaltfrei für Klimagerechtigkeit einsetzen!

Love and Rage

Extinction Rebellion Potsdam

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