Extinction Rebellion Osnabrück prangert die Unehrlichkeit der Oberbürgermeisterin und der Ratsmehrheit im Bezug auf die Verkehrswende und den Radentscheid an. Dazu wurden Aufkleber verteilt, die die Versäumnisse der Stadtpolitik aufzeigen. - 20.05.2024
Hunderte Aufkleber mit der Botschaft der versprochenen Verkehrswende schmücken nun die Osnabrücker Innenstadt und das Rathaus, damit die dort Politik zachenden ihre Versprechen nicht ganz vergessen – zumindest nicht, wenn sie beim Kaffeekochen oder Toilettengang kurz innehalten.
Wahlkampfversprechen gebrochen:
Im Wahlkampf hatte die CDU-Bürgermeisterin Katharina Pötter eine Verkehrswende mit dem Fahrrad im Mittelpunkt versprochen. Osnabrück sollte bis 2030 zu den Top 5 Fahrradstädten Deutschlands gehören, und "der Fahrradfahrer sollte den absolut ersten Zugriff haben." Doch diese Vision ist gescheitert. "Zwei Jahre sind vergangen, und kein einziger Radweg entspricht den Vorgaben des Radentscheids", kritisiert Danielavon Extinction Rebellion Osnabrück. Stattdessen sind die Unfallzahlen für Radfahrende seit der Wahl extrem angestiegen, die Zahl der Autos ebenfalls, und das Sicherheitsgefühl der Radfahrenden hat sich weiter verschlechtert.
Mit diesem Verhalten zeigt die CDU Osnabrücks einen Mangel an Respekt gegenüber den Wählern. In der Debatte um die Verkehrswende präsentiert sich die Partei mit einem klassischen Beispiel für politisches Doppelspiel. Auf der einen Seite steht Bürgermeisterin Katharina Pötter, die im Wahlkampf mit progressiven Versprechen punktete und eine fahrradfreundliche Stadt versprach. Auf der anderen Seite agiert der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Herr Keite, der die Interessen der Autolobby sowie der Bürgerinnen und Bürger vertritt, die keine Verkehrswende wollen.
Dieses Doppelspiel, das mit zwei verschiedenen Botschaften zwei verschiedene Wählergruppen anspricht, ist für eine funktionierende Demokratie äußerst schädlich: Die Bürgerinnen und Bürger werden durch die widersprüchliche Politik der CDU verunsichert und verlieren das Vertrauen in die Politik. Wenn eine Partei im Wahlkampf mit Versprechen punktet, die dann hinter den Kulissen torpediert werden, führt das zu einer Erosion des demokratischen Prozesses.
Obwohl an einigen Stellen in Osnabrück Radwege gebaut werden, genügt keiner davon dem selbstgesetzten Standard der Stadt, und damit ist es für Jahrzehnte zementierte autozentrierte Politik. Auch die Sperrung von Parkplätzen und der Entzug von Autospuren auf einzelnen Straßen sind weit entfernt von einer konsequenten Verkehrswende, insbesondere angesichts des parallelen Rückbaus im ÖPNV.
Der Radentscheid: Ignoriert von der Politik und den Medien
Der Radentscheid, ein erfolgreiches Bürgerbegehren und ein wichtiger Baustein der Osnabrücker Verkehrswende, ist nun knapp zwei Jahre alt, unsere aktuelle CDU-Bürgermeisterin etwas länger. Zeit für eine Bestandsaufnahme.
Die Radverkehrsbeauftragte beantwortet keine Fragen mehr zum Radentscheid. Dieser wird auch im Klimaschutzbericht 2022 überhaupt nicht erwähnt, im Bericht des Jahres 2023 lediglich in einem Absatz, der sich darauf beschränkt, dass "weiter geplant" wird. In zwei Jahren ist kein einziger schriftlicher Bericht über den Umsetzungsstand der Ziele erschienen. Öffentliche Dialogveranstaltungen wie vorgesehen fanden nicht statt und sind auch für dieses Jahr nicht geplant. Die Verkehrssicherheitskommission, die laufend Unfälle mit Radbeteiligung analysieren soll, hat in zwei Jahren noch keinen einzigen Unfall analysiert. Anfragen dazu werden ebenfalls nicht beantwortet.
Der Radentscheid, für den über zehntausend Osnabrückerinnen und Osnabrücker unterschrieben haben, ist damit faktisch tot. Während in anderen Städten Stadt und Zivilgesellschaft bei der Umsetzung auf Augenhöhe zusammenarbeiten, werden in Osnabrück nicht einmal mehr Anfragen des Radentscheids von der Stadt beantwortet. Der Klimaschutzbericht zeigt deutlich, dass Osnabrück vor allem im Bereich Verkehr Probleme mit der Einhaltung der selbst gesteckten Ziele hat. Doch auch der Klimaschutzbericht wurde in den Osnabrücker Medien nicht diskutiert, die wenigen enthaltenen Zahlen wurden nicht kritisch hinterfragt.
Entscheidung nicht durch Bürgerinnen und Bürger, sondern durch Lobby?
Die Aussagen der CDU Osnabrück zur Radverkehrspolitik widersprechen sich diametral, besonders gut zu sehen am Beispiel der Pagenstecherstraße. 2019 betonte der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Herr Keite, "Der Ausbau von Radwegen hat für uns höchste Priorität". Doch bei der konkreten Umsetzung der Umgestaltung der Pagenstecherstraße lehnte er diese mit den Worten ab: "Eine einseitige Bevorzugung des Radverkehrs halten wir hier für den falschen Weg.", obwohl er diese vorher noch energisch selbst gefordert hatte.
"Diese Aussagen stehen diametral zu seinen früheren und den Aussagen von Katharina Pötter", kritisiert Extinction Rebellion. Die Organisation stellt die Frage: Wie soll das Ziel des Radentscheids an der Pagenstecherstraße, nämlich mindestens 2,00 m breiter Verkehrsraum, baulich getrennt vom ruhenden und fahrenden Kraftverkehr, aus Sicht der CDU umgesetzt werden, wenn Herr Keite die "einseitige Bevorzugung des Radverkehrs ... für den falschen Weg!" hält?
In der Ratssitzung am 23. April äußerte sich Herr Keite wie folgt: "In der Vergangenheit habe die Mehrheitsgruppe „kein glückliches Händchen“ mit dem Gewerbe bewiesen. Beim Thema Verkehr werde es den Betrieben seit Jahren „maximal schwer“ gemacht. Das beste Beispiel sei die Pagenstecherstraße, wo ein international tätiges Unternehmen wegen des Beschlusses, die vierspurige Straße fahrradfreundlich umzubauen, beinahe abgewandert wäre. Hätte es nicht in letzter Minute einen Kompromiss gegeben."
Realität:
In einem Jahr haben engagierte Menschen über 100 Fotos von zugeparkten Radwegen auf der Pagenstecherstraße gesammelt. Allein an diesem Freitag waren dort mindestens 4 Autotransporter auf Radwegen geparkt. Die Fotos liegen vor. Es wird in Kauf genommen, dass Menschen auf dem Rad dort verunfallen, damit dort Autos angeliefert werden können. Das steht symbolisch für die Osnabrücker Verkehrswende, wenn die CDU, unterstützt von Grünen und SPD, das Ruder übernimmt.
Extinction Rebellion kritisiert, dass anscheinend nicht die Bürgerinnen und Bürger durch Bürgerentscheide und Wahlen, sondern die Auto- und Logistiklobby, vertreten durch Herrn Keite, über wichtige politische Entscheidungen in Osnabrück entscheiden. Ob ein Radweg gebaut wird, entscheiden anscheinend Gewerbetreibende wie Burkhard Weller ("Ich möchte, dass wir nicht hinter Klimaklebern und grünen Ideologen untergehen") aus persönlichen Gründen, und stellen sich damit über die Sicherheit von Radfahrenden, obwohl sie dafür nicht gewählt wurden. Obwohl Katharina Pötter die Situation an der Pagenstecherstraße im Wahlkampf als untragbar beschrieben hatte und als erste Amtshandlung einen Pop-Up-Radweg dort versprochen hatte, um die Situation zu entschärfen.
Medienversagen:
Diese Situation wäre nicht möglich, wenn die Osnabrücker Medienlandschaft diese Politik kritisch hinterfragen würde. Die Hasepost, unser städtischer Populismus-Dienstleister, hat die Osnabrücker Verkehrswende bereits 2022 als gescheitert sowie als grüne Ideologie gebrandmarkt und agitiert seitdem gegen die Verkehrswende, ohne die Notwendigkeit dieser überhaupt zu thematisieren.
Die CDU hat mit ihren Helfern SPD und Grünen die Verkehrswende mutwillig verschleppt. Kritische Nachfragen der Medien zum aktuellen Stand des Radentscheids fehlen trotzdem. Die Tatsache, dass viele Baumaßnahmen und Ratsbeschlüsse mit dem zuvor angenommenen Radentscheid kollidieren, wird ebenfalls nicht hinterfragt. Die Medien sind aber ein entscheidender Akteur bei der Sicherstellung, dass politische Versprechen wie die Verkehrswende nicht nur leere Worte bleiben, sondern auch tatsächlich umgesetzt werden. Durch ihre investigative Arbeit, Berichterstattung und kritische Nachfragen tragen sie zur Transparenz, Verantwortlichkeit und Demokratie bei.
Fazit:
Extinction Rebellion fordert die Oberbürgermeisterin sowie die Ratsmehrheit auf, die Verkehrswende sowie den Radentscheid endlich mit der nötigen Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit anzugehen. Dazu muss mit den Bürgerinnen und Bürgern kommuniziert werden, was gemacht wird und vor allem warum. Wenn überall Parkplätze wegfallen, der ÖPNV aber parallel zusammengestrichen wird, spielt das den Populisten in die Hände. Es darf nicht so aussehen, als würde man die Bürgerinnen und Bürger nur ärgern. Der Radentscheid muss umgesetzt werden, damit die Menschen sich ernst genommen fühlen, anstatt demokratiemüde zu werden. Die Medien müssen einordnen und kritisch hinterfragen, und nicht zulassen, dass diese Spiele (Keite vs. Pötter) aufgehen.
Die Zeit schöner Worte ist vorbei – jetzt müssen Nägel mit Köpfen gemacht werden. Oder um es mit den Worten von Katharina Pötter zu sagen: "Einfach mal machen".