Rebellion of One: Bundesweite Aktion mit großer Resonanz in Hannover
"Ich habe Angst ... wegen der Klimakrise"
Hannover, 15. Mai 2021. Heute Mittag um 12 Uhr haben sich in Hannover zwei Frauen und ein Mann jeweils allein auf Straßen im Zentrum, in Linden und in der List gesetzt und diese damit blockiert. Auf umgehängten Pappschildern war zu lesen, was sie zu ihrem Schritt getrieben hat: Sie wollten ihrer Angst und Verzweiflung im Angesicht von Klima- und ökologischem Kollaps einen Ausdruck geben. Die Reaktion vieler Hannoveraner*innen ist bewegend.
Auf der Gustav-Bratke-Allee am Schwarzen Bär in Linden sitzt Evelyn Gersemsky. "Ich habe mich heute auf die Straße gesetzt“, erklärt sie, „weil ich verzweifelt darüber bin, wie verschwindend wenig unternommen wird, um die Klimakatastrophe aufzuhalten. Durch ihre Untätigkeit setzt die Regierung schon heute im globalen Süden und in Zukunft auch hier unzählige Menschenleben aufs Spiel, und das kann und will ich nicht so hinnehmen." Auf ihrem Plakat steht: Ich habe Angst vor Krieg und Hungersnöten wegen der Klimakrise.
Einige Passant*innen, gerade auch ältere, berührt offenbar der Mut und die Klarheit dieser Geste so sehr, dass sie zu ihr gehen, sich vor ihr verbeugen oder erklären, sie würden sich gern bei einer weiteren Aktion anschließen. Es gibt spontanen Applaus. Später, bei der Wiederholung der Aktion am Küchengarten, setzt sich eine Passantin spontan neben sie auf die Straße.
Eine ähnliche Erfahrung hat auch Till gemacht, der am Platz der Weltausstellung, mitten im Zentrum von Hannover, den Verkehr behindert, und feststellt, dass er, allein mit einem Pappschild still am Boden sitzend, auch entfernte Passant*innen anzieht und nachdenklich macht; anders als bei sonstigen Versuchen, Menschen in der Öffentlichkeit um Aufmerksamkeit für Anliegen der Klimagerechtigkeit zu gewinnen. Warum sitzt er hier? „Die Wälder, in denen ich aufgewachsen bin, werden immer lichter und schwächer. Die Politik suggeriert mir trotzdem immer noch, dass es um Probleme in der Zukunft geht. Klimaneutralität 2045 ist für den Wald aber viel zu spät. Und ist der Wald tot, sind wir es auch.“ Auf dem Pappschild des Studenten steht: Ich habe Angst davor, dass die Folgen der Klimakrise unerträgliches Leiden für jeden Menschen bedeuten.
Die Polizei beendet die Rebellion of One relativ bald, aber durchaus mit Verständnis. Auch in der List, an einer Kreuzung mit der Lister Meile, an der Ulrike Wach allein den Verkehr blockiert. „Ich habe mich auf die Straße gesetzt, weil ich verzweifelt darüber bin, wie dringlich die Klimakatastrophe und das weltweite Artensterben sind“, erklärt sie. „Die Regierung muss jetzt sofort handeln, sonst haben wir in fünf Jahren das 1,5 Grad-Limit des Pariser Abkommens gerissen“. Sie hält ein kleines Schild „Ich habe auch Angst, dass ich überfahren werde, aber...“ Auf ihr großes Pappschild hat sie geschrieben: Ich habe große Angst, dass die Politik nicht ausreichend handelt in der Klimakrise.
Die Angst der Menschen, die sich der Rebellion of One angeschlossen haben – etwa 200 sind es heute allein in Deutschland – ist real und angemessen. Wie berechtigt ihre Sorgen sind, wurde gerade erst vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Die Korrekturen an den Klimazielen, die die Regierung daraufhin vorgenommen hat, verfehlen immer noch bei Weitem die Zusagen, die in Paris gemacht wurden und die für die Menschen und die Menschheit überlebenswichtig sind. Die Beharrungskräfte des „Weiter-So“ sind groß. Die Menschen, die sich heute mit ihrer Angst so verletzlich machen, sind allein. Aber zusammen – in Hannover, in ganz Deutschland und weltweit.
https://rebellion.global/blog/2021/05/14/global-newsletter-51/
Hintergrund:
Bereits am 27. März hatten sich mehr als 100 Aktivist*innen von Extinction Rebellion in gut 40 deutschen Städten an der Rebellion of One beteiligt. Auch international breitet sich diese neue Aktionsform aus. So blockierten am 1. Mai über 200 Aktivist*innen einzeln die Straßen in Großbritannien, weitere in anderen Teilen der Welt. .
Extinction Rebellion setzt sich mit friedlichem zivilen Ungehorsam für eine repräsentative Bürger*innenversammlung ein, die Maßnahmen gegen den drohenden ökologischen und zivilisatorischen Kollaps beschließen soll. XR fordert die Regierungen auf, den Klimanotfall anzuerkennen und Klimaneutralität bis 2025 anzustreben. Die Bewegung entstand 2018 in UK und ist mittlerweile in über 70 Ländern auf sechs Kontinenten vertreten. In Deutschland gibt es etwa 130 aktive Ortsgruppen.
In diesem Cloud-Ordner erhalten Sie Fotos von der Protestaktion (auch aus Hannover) zur freien Verwendung unter Angabe der Quelle Extinction Rebellion Deutschland: https://xrshort.eu/ro1-download