Trauer- und Festzug für die Artenvielfalt: Aktivist:innen protestieren gegen das stille Sterben

Geschrieben von XR München am 22.05.2025

Über 150 Menschen haben heute in der Münchner Innenstadt auf den globalen Verlust der Artenvielfalt aufmerksam gemacht. Anlass war der internationale "Tag der Artenvielfalt" am 22. Mai. Mit einem Trauerzug thematisierten die Teilnehmenden das weltweite Massenaussterben der Arten, das bislang kaum im Fokus der öffentlichen Debatte steht.

In schwarzer Kleidung trugen die Protestierenden einen Sarg durch die Innenstadt – aus Trauer und Protest. Denn dutzende Arten verschwinden jeden Tag. Aktuell stirbt mindestens eine Art pro Stunde aus.(1)

Zwei Millionen Arten könnten laut einer Studie aus Trier/Luxemburg von 2023 innerhalb der nächsten Jahrzehnte aussterben.(2) Die aktuelle Aussterberate liegt hundert- bis tausendfach über dem natürlichen Durchschnitt der letzten zehn Millionen Jahre – mit weiter steigender Tendenz.(3)
Forschende sprechen inzwischen nicht mehr nur vom Arten-, sondern vom Gattungssterben: Ganze Verwandtschaftsgruppen verschwinden. Der "Baum des Lebens" wird nicht nur beschädigt – wir sägen an seinen tragenden Ästen.(4)​​​​​​​

Dieses Artensterben ist eine tiefgreifende Krise, die bisher viel zu wenig Beachtung findet. Fachleute sprechen längst von einer „Zwillingskrise“ zur Klimakrise – Biodiversität als der vergessene Zwilling im Schatten. Mit ihrer Aktion gaben die Aktivist*innen dieser Krise eine längst überfällige öffentliche Bühne.

Am Gärtnerplatz folgte ihrem Trauerzug eine Kundgebung mit Redebeiträgen, Musik, einem "Die-In" und anschließender bunter Feier: Man müsse nicht nur trauern, sondern auch vorhandene Vielfalt feiern.

„Heute ist der Festtag der Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten", sagt Nadine Kellner, stellvertretend für das Bündnis.​​​​​​​ "Dass diese so rapide schwindet, ist schrecklich und abwendbar! Es braucht sofortige, konsequente Maßnahmen der Politik. Wir ermutigen heute alle Menschen zum Handeln und feiern und wertschätzen gemeinsam das Wunder des Lebens. Denn wir alle können unglaublich viel tun - für uns und all unsere Mitarten. Jede ist es wert, sie nicht aufzugeben, sondern für sie zu kämpfen."

Auch in Deutschland ist das Artensterben längst Realität: Die Biomasse der Fluginsekten ist regional um bis zu 80 Prozent zurückgegangen. Viele Autofahrer*innen kennen den Unterschied – früher war die Windschutzscheibe im Sommer voller Insekten. Heute bleibt sie oft leer. Rund 40 Prozent der Tagfalterarten sind bedroht, ein Drittel der Ackerwildkräuter wird zunehmend selten, und fast drei Viertel der Vogelarten der offenen Landschaft gelten als gefährdet oder sind bereits verschwunden.(5)​​​​​​​

“Lasst uns traurig sein, über ihren Verlust, und diese Trauer umwandeln, in Worte und Taten, heute und ab heute", appelliert Kellner während der Kundgebung. Die Existenz des Lebens sei ein Grund für Freude, Staunen und Dankbarkeit. Kellner macht Mut, sich für dieses Leben einzusetzen: "Lasst uns nicht verzweifeln, sondern handeln.”

Bündnis-Organisationen aus dem Klimanetz München: Extinction Rebellion, Greenpeace München, Bund Naturschutz Bayern, Klimatreffpunkt, Animal Rebellion, Parents 4 Future, Psychologists for Future, Bund Jugend Bayern, Green City, Protect the Planet, Leocor, Widerstandskollektiv, Pro REGENWALD und Fridays for Future München.

(1) So Biologe Josef Settele im persönlichen Schriftkontakt mit Extinction Rebellion, am 22.08.2023.

(2) siehe z. B.: https://www.stern.de/panorama/wissen/natur/artenschutz--viel-mehr-arten-vom aussterben-bedroht-als-bislang-gedacht-34181282.html und Zwei Millionen Spezies gefährdet: Mit den Arten stirbt auch die Menschheit - n-tv.de

(3) Robert H. Cowie, Philippe Bouchet, Benoît Fontaine: The Sixth Mass Extinction: fact, fiction or speculation? In: Biological Reviews. 2022, S. 651, 656, doi:10.1111/brv.12816 

(4) Gerardo CeballosPaul R. Ehrlich ​​​​​​​Mutilation of the tree of life via mass extinction of animal genera​​​​​​​
(5) https://www.spiegel.de/spiegel/artensterben-in-deutschland-als-gaebe-es-kein-morgen-a-1168740.html

Feedback