"It's for our forest and future generations. And it's for the whole world." sagte Nemonte Nenquimo, eine indigene Aktivistin. Sie hat mit ihrer Organisation einen Rechtsstreit gegen die Öl- und Gasförderung in Ecuador gewonnen.
Heute möchte ich über Indigene und Umweltaktivist*innen im Amazonasgebiet sprechen. Ich hoffe, dass ich als weiße Deutsche einen sensiblen Umgang mit ihrer Realität gefunden habe. Vielleicht fragt ihr euch jetzt: Wir sind hier auf einem Klimaprotest – warum fängt sie jetzt mit Indigenen an?
Ich sage: Klimaschutz und der Schutz von Menschenrechten sind unzertrennlich miteinander verwoben. Außerdem sind wir eine Klimagerechtigkeitsbewegung. Und die Klimakrise ist verdammt ungerecht.
Letztes Jahr wurden mehr als 200 Umweltschützer*innen getötet, das entspricht mehr als 4 Morden pro Woche. In Wirklichkeit liegt die Zahl sicherlich wesentlich höher. Hier müssen wir uns keine Sorgen machen, im Protest zu sterben - ein Privileg, das wir nutzen sollten. Anders ist es aber im Amazonasgebiet: Hier sind fast 90% der Morde an Umweltaktivist*innen verübt worden. Diese schützen ihr Land, den Wald und Wasserressourcen vor Bergbau, Landwirtschaft und fossilen Brennstoffen. Dabei setzen sie sich enormer Gewalt aus. Sie werden verprügelt, erschossen, sexuell misshandelt oder sie sollen durch weitere Repressalien wie Inhaftnahmen, illegitime Gerichtsverfahren und Drohungen mundtot gemacht werden.
Ganze 40% - ja 40% - der ermordeten Umweltaktivist*innen sind Indigene und das obwohl Indigene nur 5% der Weltbevölkerung ausmachen! Sie werden durch Bergbau und Landwirtschaft unrechtsmäßig von ihrem eigenen Land vertrieben. Sie erfahren überproportional mehr Gewalt. Sie sind besonders von Corona durch mangelnde medizinische Versorgung betroffen. Brasilien ist laut einem UN Bericht weltweit das gefährlichste Land für Indigene.
Ich möchte euch nun, bevor ich weitermache, um eine Schweigeminute für die toten Menschen bitten, die für ihre Rechte, für ihren Aktivismus oder an Covid-19 sterben mussten.
Trotz all der Repression, trotz all der Gewalt stehen diese Menschen mutig an vorderster Linie, wenn es darum geht ihre Heimat, unsere Welt und das Überleben zukünftiger Generationen zu schützen. Die indigene APIB-Aktivistin Célia Xakriabá beschreibt das indigene Konzept ihres Volkes des Landes als Gebärmutter, aus der das Leben entsteht. Das heißt, Umwelt- und Klimaschützende kämpfen für ihre Mutter. So könnten indigene Anbausysteme auch uns hier in Deutschland und überall auf der Welt inspirieren. Dabei wird nämlich Nahrung und Holz auf der gleichen Fläche produziert, was viel Kohlenstoffdioxid bindet:
Denn Indigene und kleine Gemeinschaften in Waldgebieten kümmern sich um Wälder, die 33 Mal mehr Kohlestoffequivalente speichern als wir weltweit jährlich emittieren. Studien haben gezeigt, dass Wälder unter indigener Betreuung niedrigere Abholzungsraten aufweisen. Gleichzeitig ist die Erhaltung der Biodiversität höher. Sogar weniger Abholzung und mehr Biodiversität als in anderen Schutzgebieten ohne indigene Präsenz. Der beste Naturschutz wäre es also, indigene Landrechte auszuweiten und zu schützen. Und so bedeutet Klimaschutz auch den Schutz von Menschenrechten.
Die Klimakrise verstärkt wirtschaftliche Ungleichheit, rassistische Ungerechtigkeit sowie die Verbreitung von Krankheiten. Frauen sind Naturkatastrophen stärker ausgesetzt. Indigene sind Gewalt stärker ausgesetzt. Der globale Norden emittiert am meisten CO2, der globale Süden spürt die Folgen zuerst und besonders stark. Die Klimakrise ist also auch eine Gerechtigkeitskrise.
Gleichzeitig kommt der direkteste Widerstand von den am stärksten Betroffenen – wie etwa Indigene, die unmittelbar mit der Natur zusammenleben. Deren Recht auf Widerstand wird aber systematisch untergraben, ihr Aktivismus wird immer wieder gewaltvoll behindert. Viele der global schlimmsten Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen stehen im Zusammenhang mit der Ausbeutung von Ressourcen. Ressourcen, die wir jeden Tag nutzen und genießen.
Und hier kommen wir wieder ins Spiel. Laut der NGO CIVICUS leben nur 3% der weltweiten Bevölkerung in offenen Räumen, in denen sie ungehindert Aktivismus organisieren und daran teilnehmen können. Das sind wir. Und damit ist es auch unsere Pflicht, aufzustehen und laut zu sein. Es ist unsere Pflicht, auf die Ungerechtigkeiten der Klimakrise hinzuweisen. Es ist unsere Pflicht, solidarisch mit den unterdrückten Aktivist*innen auf der Welt zu stehen, die für das Gemeinwohl und eine bessere Zukunft kämpfen.
In einem offenen Brief in Le Monde sprechen 15 indigene Oberhäupter davon, dass indigene Völker die ersten Anzeichen einer Apokalypse erleben durch die Zerstörung ihrer Umwelt. Das klingt krass. Das ist krass und wir können uns wohl kaum in die Lage hineinversetzen. Aber wir können unser Bestes geben, dass das Leben indigener Menschen und von Umweltaktivist*innen geachtet wird und dazu gehört sowohl Klimaschutz als auch Menschenrechtsschutz.
Quellen:
https://www.sueddeutsche.de/politik/global-witness-umweltschuetzer-ermordet-1.4982424 https://www.globalwitness.org/en/campaigns/environmental-activists/defending-tomorrow/ http://klimaschutzvonunten.blogsport.eu/2019/08/13/indigene-frauen-gegen-bolsonaros-landraub- und-waldzerstoerung/
Lisa Poettinger