Hand in Hand

Geschrieben von Manon Gerhardt am 04.03.2024

Demo "Hand in Hand", Berlin, 3. Februar 2024

Warum die Klimagerechtigkeits-Bewegung die Demokratie verteidigen muss

Nach fast 80 Jahren Frieden in Deutschland haben wir den Fehler begangen, unsere Demokratie für selbstverständlich zu halten. Bis vor 15-20 Jahren hielten wir den Faschismus für ausgerottet in Europa, viele gesellschaftliche Probleme schienen auf einem guten Weg zu einer Lösung. Weltweit gab es weniger Kindersterblichkeit, mehr Mädchen in den Schulen, weniger Hunger. Wir haben uns zu früh gefreut.

Die Demokratie ist die beste aller schlechten Staatsformen. Etwas Besseres haben wir bisher nicht zustande gebracht. Wenn demokratische Prozesse von verantwortungsvollen Volksvertreter:innen mit Leben gefüllt werden, wird um gesellschaftliche Lösungen fair gestritten und im Interesse der Mehrheit Politik gestaltet. Aber die Demokratie ist auch verletzlich. Wenn Klientel- und Machtinteressen einzelner Abgeordneter oder Fraktionen stärker werden als deren Interesse für das Allgemeinwohl, geraten Demokratie und sozialer Frieden in Gefahr.

In den letzten 30 Jahren ist die Ungleichheit in unserem Land immer größer geworden, ohne dass die Politik dagegen eingeschritten wäre. Reiche werden immer reicher, starke Lobbygruppen können ihre Interessen erfolgreich durchsetzen - auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung. Viele Menschen erleben schon länger eine große Verunsicherung. Weltweite Krisen, der Klimawandel, die sich immer rascher ändernde digitale Welt und die Angst, im allgegenwärtigen Wettbewerb nicht mithalten zu können, verursachen Ängste - selbst wenn eigentlich für viele Deutsche noch immer ein gutes Leben möglich ist. Die zunehmende reale Armut im Land aber macht auch für die, denen es noch verhältnismäßig gut geht, deutlich, was sie erwartet, wenn sich ihre Situation - durch Krankheit oder Jobverlust zum Beispiel - verschlechtert.

Diese Ängste instrumentalisieren rechte Propagandisten und schüren Feindbilder nach alter Tradition: “Der Fremde” ist schuld daran, dass es Probleme gibt. Nicht die Superreichen, die keine Steuern zahlen, nicht die Konzerne, die ihre Mitarbeitenden ausbeuten, nicht die Subventionspolitik, die noch immer zerstörerisches Wirtschaften belohnt und nachhaltiges Verhalten erschwert. “Der Fremde”, “der Andersgläubige”, “der Sozial-Schmarotzer” sind schuld. Das ist so falsch und verlogen wie gefährlich. Trotzdem haben in den letzten Jahren viele Politiker:innen der sogenannten demokratischen Parteien diese menschenfeindliche Argumentation übernommen, vorgeblich um die “Ängste der besorgten Bürger:innen” ernst zu nehmen. Verschärfte Asylgesetze, Schickanierung von Sozialhilfe-Empfänger:innen und immer mehr populistische Reden in der Öffentlichkeit haben rechten Sprech wieder salonfähig gemacht.

Und jetzt haben wir die Bescherung. In einigen Bundesländern kommt die AfD in Umfragen auf 30 Prozent der Stimmen. Denn wo rechte Inhalte, wo brauner Scheiß wieder sagbar geworden sind, werden Wähler:innen ihre Stimme nicht denen geben, die erst auf den fahrenden Zug aufgesprungen sind, sondern die 1A Orginal-Scheiße wählen. So war das schon immer in der Geschichte.

Wenn die AfD dann wirklich an den Hebeln der Macht sitzt, wird es finster in Deutschland, das wissen wir alle. Dann werden sich die Probleme, die zur Genüge vorhanden sind, noch drastisch verschärfen - denn richtige Lösungen haben diese Propagandisten gar nicht an der Hand! Sie haben keine Lösung für die Wohnungsnot, für Energiearmut und marode Schulen, für die Defizite in der Digitalisierung und im Gesundheitssystem. Sie wollen Migrantinnen am liebsten deportieren - ohne die unsere Wirtschaft aber von heute auf morgen zusammenbrechen würde. Sie wollen ein völlig veraltetes Familienmodell wieder einführen, das nur noch für eine Minderheit von Menschen tragfähig ist. Und natürlich leugnen sie den Klimawandel, die größte Gefahr für die menschliche Zivilisation neben der zeitgleich stattfindenden ökologischen und sozialen Krise. Sie werden Klimaschutzmaßnahmen, wo sie gerade begonnen werden, sofort stoppen. Sie werden die herannahende Katastrophe noch anheizen und mit Volldampf in den Abgrund rasen. Vermutlich in einem SUV.

Um das zu verhindern, braucht es jetzt uns. Braucht es viele von uns.

Die Correctiv-Recherche war ein Weckruf, jetzt haben es alle verstanden. Macht euch stark für unsere Demokratie! Fordert von euren Volksvertreter:innen Lösungen für die dringenden Fragen unserer Zeit! Schreibt Briefe an eure Abgeordneten, dass wir mehr Geld für demokratische Bildung brauchen! Geht demonstrieren und zeigt offen, woran ihr glaubt. Sprecht mit euren Nachbar:innen darüber, welche Sprüche auf den streikenden Traktoren überzeugen und welche nicht. Vernetzt euch und stärkt und schützt euch gegenseitig, noch sind wir die Mehrheit. Wir wollen eine pluralistische, multikulturelle, diverse und offene Gesellschaft.

Wir sind das Volk!

Feedback