Leipzig, 14. Mai 2021

Offener Brief von Extinction Rebelllion an den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR)

Sehr geehrte Intendantin Frau Prof. Dr. Karola Wille,

sehr geehrte Programmdirektorin Halle Frau Jana Brandt,

sehr geehrter Programmdirektor Leipzig Herr Klaus Brinkbäumer,

Wir wenden uns an Sie, in Ihren leitenden und richtungsweisenden Funktionen beim MDR, aus Angst um die Zukunft. Das Coronavirus und die aktuelle Pandemie sind nur ein kleiner Ausschnitt der katastrophalen Folgen unseres Umgangs mit der Natur und unseren natürlichen Lebensgrundlagen. Die ökologische Krise, in der wir uns befinden, ist von solchem Ausmaß, dass sich ihre Folgen in jedem Bereich unseres gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Lebens und Handelns niederschlagen und auch in Zukunft eine immer größere Rolle spielen werden. Bei der Bewältigung dieser allumfassenden Krise sind wir Menschen der determinierende Faktor. Unser Handeln kann sowohl das Problem als auch die Lösung sein. Die Schaffung eines breiten Bewusstseins über die Ursachen, Zusammenhänge und Auswirkungen der ökologischen Krise spielt dabei eine zentrale Rolle. Dazu können Sie einen entscheidenden Beitrag leisten.

Die Werkzeuge, um eine umfassende mediale Aufklärung und Berichterstattung zur ökologischen Katastrophe zu realisieren, sind vorhanden. Der MDR ist in Mitteldeutschland das meistgesehene Fernsehprogramm zur Hauptsendezeit, erreicht auch mit seinem Hörfunk pro Tag 3,24 Millionen Menschen und das Online-Angebot wurde im letzten Jahr 430 Millionen mal genutzt. Eine aktuelle und umfangreiche Berichterstattung ist über diese Kanäle möglich, das hat die Corona-Krise gezeigt. Dennoch erfährt die für die Pandemie ursächliche Naturzerstörung, welche u.a. die Klimakrise und das Artensterben befeuert, bisher keine ausreichende Sichtbarkeit. Zwar produziert die Sparte "MDR Wissen" wissenschaftlich fundierte und gut aufbereitete Beiträge zum Thema der ökologischen Krise, diese bekommen jedoch nicht die Plattform, die der Dringlichkeit des Themas angemessen wäre.

Eine von uns durchgeführte Analyse der täglichen MDR-Nachrichtensendungen in der Hauptsendezeit von 19.00-19.50 Uhr zeigt, dass innerhalb von drei Wochen lediglich 4,4,% (1:40 h von insgesamt 39 Stunden) der Sendezeit einen Klima- oder Biodiversitätsbezug haben. Allerdings sprechen dabei nur 0,2 % (5 min) die Auswirkungen der Klimakrise direkt an und nur 0,15% (ca. 4 min) thematisieren speziell das Artensterben. Dem stehen 16,3% (ca. 6 h 20 min) Sportberichterstattung in diesem Zeitraum gegenüber. Dabei sind wir in Ost- und Mitteldeutschland bereits jetzt ständig mit den Auswirkungen der ökologischen Katastrophe konfrontiert. Doch über Ereignisse wie das Waldsterben, Wetterextreme oder den Verlust der ökologischen Vielfalt berichtet der MDR fast immer nur als losgelöste, voneinander unabhängige Entwicklungen und nicht im Kontext der Klimakatastrophe und des Artensterbens. Auch wird selten über die schon jetzt lebensbedrohlichen Folgen der Klimakrise in Ländern des globalen Südens berichtet.

Die Wissenschaft ist sich zu diesem Thema einig: "Die Zukunft hat uns bereits erreicht. Deutschland steckt mittendrin in der Erderhitzung, mit weitreichenden Folgen für Umwelt, Gesellschaft und Gesundheit“, sagt Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamts (UBA). „Es muss dringend vorgesorgt werden, um diesen Folgen zu begegnen.“

Es ist höchste Zeit, dem Thema Klimakrise den angemessenen Raum in den Medien zu geben. An den auch in Mitteldeutschland steigenden Wähler:innenstimmen der Grünen als "Klimapartei" wird deutlich, dass immer mehr Menschen die Bedrohung wahrnehmen und sich dafür interessieren. Es ist die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts und noch kann durch konsequentes Handeln viel verhindert werden. Dazu braucht es ein breites Krisenbewusstsein auch bei den Menschen, die noch nicht so akut von der Krise betroffen sind.

Um ein entsprechendes Krisenbewusstsein zu erreichen, sollte die ökologische Krise themenübergreifend mitgedacht und mitberichtet werden. Dabei sollte den Zuschauer:innen die akute Dringlichkeit deutlich werden. Die Klimakrise, das Artensterben und die Coronakrise sind alle Folgen der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, reproduzieren und verstärken weltweit soziale Ungleichheiten und werden noch deutlich mehr Leid verursachen. Dementsprechend viel Raum müssen diese Themen auch in der Berichterstattung einnehmen und dabei darf die Bedrohung nicht durch Begrifflichkeiten wie "Klimawandel" heruntergespielt werden.

Wir würden gerne mit Ihnen darüber sprechen, warum die ökologische Krise im Programm des MDR bisher so behandelt wird, wie zuvor beschrieben. An einigen Sendungen, zum Beispiel auf MDR-Wissen, wird deutlich, dass das nötige Wissen, sowie gut qualifiziertes Fachpersonal vorhanden sind. In der Sendung "Krank vor Hitze" wird die Klimakrise von der Wissenschaft als "größte gesundheitliche Gefahr des einundzwanzigsten Jahrhunderts" bezeichnet. Vor diesem Hintergrund scheint es unverständlich, dass dieser Gefahr in der Hauptsendezeit nur zu seltenen Anlässen einen Platz bekommt.

Dieser Brief soll keine Anschuldigung sein. Es liegt an unserer Regierung angemessene Politik zu machen und an Großkonzernen, nicht weiter auf Kosten unserer Zukunft Gewinne zu machen. Sie – als Marktführer in der Hauptsendezeit in Mitteldeutschland – sind jedoch in der Position, Druck aufzubauen und das nötige Krisenbewusstsein in der Bevölkerung zu verstärken. Bei der Coronakrise hat das super geklappt. Durch konsequente, umfassende und klar verständliche Berichterstattung wurde den Menschen die Bedrohung deutlich gemacht und so auch die Grundlage dafür geschaffen, dass notwendige Maßnahmen akzeptiert und Einschränkungen weitestgehend toleriert werden. Die Klimakatastrophe wird das größte Thema unserer Zeit werden, und ist es für sehr viele Menschen heute bereits. Die Frage ist nur, wird berichtet, solange das Ausmaß noch begrenzt werden kann, oder erst, wenn es zu spät ist?

Wir würden uns freuen, mit Ihnen in ein persönliches Gespräch zu gehen und warten gespannt auf ihre Antwort. Sie erreichen uns unter leipzig@extinctionrebellion.de.

Mit freundlichen Grüßen,

Ihre Extinction Rebellion Ortsgruppen:

Leipzig, Dresden, Rostock, Halle, Magdeburg, Cottbus und Zwickau

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