Gruppenvereinbarung

der AG Anti-Rassismus

Um mit diskriminierendem Verhalten innerhalb der Arbeitsgruppe (AG) umzugehen, basieren wir unserer Zusammenarbeit verbindlich auf folgendem AG Agreement [dt. Vereinbarung], das wir als lebendiges Dokument entsprechend dessen, was wir lernen, anpassen. Bei Mitarbeit in der AG stimmen wir diesem AG Agreement zu.

Genauso wie kulturelle Aneignung in der Gesamtgesellschaft stattfindet, findet in linkspolitischen Kreisen auch Aneignung von Kämpfen und Aneignung von Wissenoder Skills statt. Aus diesem Wissen heraus möchten wir an dieser Stelle kenntlich machen, dass unser Agreement am Konzept von Safer Space (und Braver Space) Agreements angelehnt ist, ein Konzept, welches in BIPoC* Räumen entstanden ist.

Fachbegriffe, die möglicherweise einer Erklärung bedürfen, sind im Agreement kursiv geschrieben und mit einer Fußnote versehen, die auf Links mit Begriffserklärung verweisen.

[1] https://glossar.neuemedienmacher.de/glossar/

​​[2] https://i-paed-berlin.de/glossar

[3] https://raus-aus-der-dominanz.org/kartenset-uebersicht

[4] https://diversity-arts-culture.berlin/diversity-arts-culture/woerterbuch

[5] https://www.idaev.de/recherchetools/glossar

  1. Wir erkennen an, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der es seit vielen Jahrhunderten Machtverhältnisse und Strukturen der Unterdrückung gibt, durch die auch heute noch Menschen aus den unterdrückten Gruppen massiv benachteiligt werden und tagtäglich offene Aggression und vor allem Mikroaggressionen [5], Othering [3] und andere Arten von Gewalt erfahren. Oft werden Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu gesellschaftlichen Gruppen nicht nur aufgrund eines einzigen Merkmals diskriminiert, sondern sehen sich Mehrfachdiskriminierung (siehe Intersektionalität [2,4]) ausgesetzt, also einer Verschränkung und gegenseitigen Verstärkung verschiedener Formen von Diskriminierung. Zu verschiedenen Formen von Diskriminierung: siehe unten.
  2. Wir erkennen auch an, dass wir dort, wo wir zu einer privilegierten Gruppe gehören, von der Gesellschaft vielfältige Privilegien bekommen. Wir wollen uns mit diesen Privilegien beschäftigen.
  3. Wir erkennen an, dass wir durch die Ideologien hinter der Unterdrückung geprägt sind. Dadurch laufen wir immer wieder Gefahr, die unterdrückenden Muster der Gesellschaft in unseren Arbeitsgruppen zu wiederholen. Um diese Muster zu erkennen, müssen wir uns fortlaufend mit Unterdrückung beschäftigen. Wir wollen lernen dominante Denk- und Verhaltensweisen zu erkennen, sie kritisch hinterfragen und uns abgewöhnen. Uns ist bewusst, dass wir verinnerlichte Muster nicht plötzlich aufbrechen können, sondern dass Antirassismus, Antiableismus, etc. einen lebenslangen Lernprozess darstellen. Wir möchten in der AG einen Lernraum schaffen, in dem es okay ist Fehler zu machen. Gleichzeitig darf eben diese Fehlerkultur nicht als Ausrede genutzt werden, nicht dazuzulernen. Wir halten im Blick, wie wir ein Gleichgewicht schaffen, zwischen sichererem Raum für alle (also auch Menschen betroffen von Diskriminierung) und Akzeptanz für unterschiedliche Wissensstände.
  4. Wir öffnen am Ende jeder Telko den Raum dafür, dass Menschen während des Treffens stattgefundenes dominantes/diskriminierendes Verhalten oder dominante/diskriminierende Aussagen benennen können. (Sofern sie dies nicht währenddessen tun wollten oder getan haben - z.B. weil sich eine Aussage komisch angefühlt hat, aber für die Person im ersten Moment noch nicht greifbar war, warum.)
  5. Wir verstehen, dass individuelles dominantes Verhalten systemische Ursachen hat. Wenn eine Person dominantes oder diskriminierendes Verhalten anspricht, ist dies kein persönlicher Konflikt zwischen zwei Personen. Es ist ein Problem der ganzen Gruppe. Die Person, die das Verhalten anspricht, weist uns darauf hin, dass damit gegen unsere Prinzipien verstoßen wird. Sie fordert ein, was ihr (und uns) in unseren Prinzipien versprochen wird und was ihr zusteht. Das geht uns alle an. Was wir unter dominanten Verhalten verstehen findet sich z.B. hier: https://www.vulnerebels.org/was-ist-dominanz
  6. Es geht nicht darum die Person, deren Verhalten angesprochen wird, zu beschämen oder anzuklagen, sondern ihr zu vermitteln, warum dieses Verhalten anderen Personen schadet und bei uns nicht geduldet wird.
  7. Die Gruppe nimmt den Hinweis dankbar an und beschäftigt sich damit. Die Person, die das Verhalten anspricht, hat nicht die Verpflichtung die Person, deren Verhalten sie anspricht, oder die Gruppe darüber aufzuklären, warum das Verhalten z.B. ableistisch (etc.) ist. Es ist nicht die Aufgabe von Menschen aus unterdrückten Gruppen, die Bildungsarbeit für die ganze Gruppe oder Bewegung zu leisten (wenn sie die Kapazitäten & Energie dafür haben, freuen wir uns natürlich darüber und unterstützen sie darin). Die Gruppe, und vor allem die Privilegierten, sollten selbst dazu recherchieren und sich weiterbilden.
  8. Menschen, die von einer Art der Unterdrückung betroffen sind (wie Menschen mit beHinderung von Ableismus) haben durch ihre lebenslange Erfahrung und den Austausch mit anderen Betroffenen einen riesigen Wissensvorsprung. Während uns da, wo wir zur privilegierten Gruppe gehören, das Wissen und die Erfahrung oft fehlt. Diesen Wissenvorsprung erkennen wir an. Die Betroffenen entscheiden, was ableistisch, rassistisch, sexistisch, etc. ist. Wenn eine Person dominantes oder diskriminierendes Verhalten anspricht, zweifeln wir dieses Wissen nicht an.
    Es geht dabei nicht darum Absolutheit herzustellen und "wer Recht hat" festzuhalten, sondern darum das subjektive Erlebnis (Realität) der Person nicht in Frage zu stellen, sondern anzunehmen.
  9. Menschen, die derselben Form von Diskriminerung ausgesetzt sind, machen oft unterschiedliche Erfahrungen. Zum Beispiel haben manche FLINTA* mehr Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt machen müssen (oder haben mehr Wissen zu sexualisierter Gewalt und ihren ideologischen Hintergründen) als andere. So kann, um nur 1 Beispiel zu nennen, eine FLINTA* Person einen Kommentar als sexistisch erfahren, eine andere als Kompliment. Damit wird die Erfahrung der FLINTA* Person, die ihn als sexistisch erfährt, aber nicht aufgelöst und ist dennoch gültig. Auch in solchen Fällen zählt primär die Erfahrung der Person, die das Verhalten anspricht.
  10. Wie geht die Gruppe damit um, wenn eine Person auf dominantes Verhalten angesprochen wird, aber dann nicht einsichtig ist oder noch mehr dominantes Verhalten zeigt, wie Gaslighting [3], Tone Policing [3], Whataboutism [3], White Fragility [1], White Tears [1], etc.?

    1. Die Erfahrung der (von Dominanz/Diskriminierung) betroffenen Person wird nicht angezweifelt.
    2. Erste Priorität ist, dafür zu sorgen, dass die betroffene Person sich sicher fühlt und zur Ruhe kommen kann. Die betroffene Person wird gefragt, was sie dafür braucht.
    3. Die verantwortliche Person, also die Person, von der das dominate/diskriminierende Verhalten ausging, wird aus der Gruppe / dem Meeting ausgeschlossen, bis die Situation geklärt ist. (Die betroffene Person kann diesen Ausschluss jederzeit stoppen, wenn gewünscht.) Es kümmern sich nicht-betroffene Menschen aus der Gruppe darum, der verantwortlichen Person zu erklären, warum solches Verhalten in der Gruppe nicht geduldet wird.
    4. Die verantwortliche Person kommt erst wieder zurück in die Gruppe / das Meeting, wenn die betroffene Person damit einverstanden ist.
    5. Gibt es auf Seiten der verantwortlichen Person keine Bereitschaft für einen Lernprozess, sollte diese aus der Gruppe ausgeschlossen werden, bevor die betroffene Person geht, weil sie sich nicht sicher im Raum fühlen kann. Wir möchten einen Ausschluss nur als letzte Möglichkeit nutzen (und eine Fehlerkultur etablieren, dass Menschen keine Angst vor einem Ausschluss haben müssen). Gleichzeitig möchten wir uns diese Möglichkeit geben, um handlungsfähig zu sein und Betroffene im Zweifel zu schützen.
  11. Es kann vorkommen, dass eine Person auf dominantes Verhalten angesprochen wird, aber dann nicht einsichtig ist oder noch mehr dominantes Verhalten zeigt, wie Gaslighting, Tone Policing, Whataboutism, White Fragility, White Tears, etc. - und keine betroffene Person anwesend ist (z.B. eine rassistische Aussage in einer AG, in der nur weiße Menschen sind). In diesem Fall können die unter 10. gelisteten Punkte nicht greifen. Sollte es zu einer solchen Situation kommen, stellen wir die Arbeit in der AG hinten an und räumen diesem Vorfall Priorität ein. Wir recherchieren zu der Thematik, bilden uns weiter und nehmen uns Raum den Vorfall als Gruppe zu thematisieren. Zeigt die auf dominantes/diskriminierendes Verhalten angesprochen Person keine Bereitschaft für einen Lernprozess, möchten wir uns auch in einem solchen Fall die Möglichkeit eines Ausschlusses behalten.
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