Judith, warum klebst du vor den Grünen? | Herbst-Rebellion

Keine Zeit für Ausreden

Die Politik braucht uns, das gab selbst Angela Merkel zu. Aber den nötigen Druck konnten wir heute nicht so auf die Straße bringen, wie wir es gerne getan hätten. Wir bringen ihn dafür zur Parteizentrale der Grünen, die die Plattitüden der FDP und SPD mittragen, als ob es sich gerade nicht um einen existenziellen, planetaren Notstand handeln würde. Die Zeit für Ausreden ist längst vorbei! Den Ausklang im Camp verbringen wir mit Reflexion der Aktionstage und Gemeinschaft.

© Tenzin Heatherbell

Das Denken von gestern kann nicht die Probleme von heute lösen

Der Dienstag beginnt früh. Und mit Frust: Plan A? Plan B? – Polizei, wohin ich auch geh. Viele sind schon vor 6 Uhr aufgestanden, um bei der ersten Aktion des Tages dabei zu sein. Geplant war eine Blockade vor einem Ministerium. Dazu sollte ein „Zukunftsrat“ tagen: sechs Wissenschaftlerinnen fordern, dass die Politik ihr Handeln künftig an neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und nicht an überholten ökonomischen Modellen ausrichtet. Um 10 Uhr kommen u.a. Dr. Sablowski, Claudia H. und Daniele Artico stattdessen im Camp zusammen zu einer Diskussionsrunde mit den anderen Rebelli.

© Tenzin Heatherbell
© Tenzin Heatherbell

Ein Staat sollte uns eigentlich schützen

Etwa 450 Polizeikräfte sind in Berlin für XR eingesetzt, jegliche Aktionen zu verhindern. “Ich hab mich gefühlt wie eine Verbrecherin”, sagt eine Aktivistin am Mittag. “Überall war Polizei, ein Auto hinter dem anderen. Als ich mich auf den Weg zurück zum Camp gemacht habe, wurden überall Leute rausgezogen und kontrolliert”, erinnert sie sich. An mehreren U-Bahn Stationen werden Taschen kontrolliert. Ein paar Menschen mussten ihre Personalien aufnehmen lassen und bekamen einen Platzverweis für Berlin Mitte. Warum? Weil sie so aussähen als gehörten sie zu XR. Und das obwohl gar keine Aktion stattgefunden hat.

© Tenzin Heatherbell

Wir planen um

Nach diesem strapaziösen Morgen sitzen die Rebelli in kleinen Gruppen zusammen, manche liegen einander im Arm und tanken Kraft aus der Gemeinschaft. An der Bühne entsteht ein Soli-Foto für Lützerath. Viele genießen gerade die Sonne, als um 12 Uhr eine Aktivistin durch das Camp läuft und Menschen auf die Schulter tippt. “Es geht JETZT los – wir laufen rüber!”, sagt sie. Auf zur Parteizentrale der Grünen!

© Tenzin Heatherbell

Zeit für zeitgemäße Politik

Direkt vor der Tür halten 6 Rebelli ein Banner mit der Aufschrift: Wir wollen überleben! Peu a peu kommen immer mehr dazu, die entspannt vom Camp herüberspazieren. Während sie sich vor dem Eingang zusammenfinden, wird gesungen und gerufen. Dann stellen die Aktivist:innen in kurzen Redebeiträgen die halbherzige Klima-Politik der aktuellen Regierung in die Kritik: Energiekonzerne fahren Millionen an Gewinnen ein, während Menschen mit geringeren Einkommen ihre Stromrechnungen nicht mehr zahlen können. Was wir stattdessen brauchen: Gesetze, die nachhaltiges, ressourcenschonendes Handeln belohnen und zerstörerisches so teuer machen, dass es nicht mehr rentabel ist.

© Stefan Müller

Eine halbe Stunde nach Beginn der Aktion passiert etwas Unerwartetes. Plötzlich verschwinden die Polizisten aus den Reihen. Die rund 50 Menschen rufen im Wechselgesang: “Die Polizei - hat aufgehört, - die verschiedenen Aktivisten - Gruppen zu trennen - und in Anerkennung der Versammlung - dient sie nunmehr dem Schutz dieser Versammlung.” Strahlende Gesichter.

Es beginnt langsam zu regnen. “Ich hab noch nie in ein Mikro gesprochen”, sagt eine der Aktivist:innen, die heute noch das Wort ergreifen. Wer will, kann hier öffentlich sagen, was ihn oder sie gerade bedrückt, wütend oder traurig macht und was Kraft für den weiteren Protest gibt. “Ich bin wütend!” ist der Tenor aus den einzelnen Beiträgen – emotionale Worte zeichnen Betroffenheit in die Gesichter, aber vor allem auch: Anerkennung und Zustimmung.

Jakob: "Ich kann das alles nicht mehr hören! | Herbst-Rebellion
© Stefan Müller
© Stefan Müller
© Tenzin Heatherbell

Reflexion im Camp

Von 15 bis 17 Uhr kommen wir noch einmal alle zusammen. Es entstehen bei Kaffee und Kuchen Gespräche über das Erlebte, über Lern-Erfahrungen und darüber, wie es den Aktivist:innen nach der Herbst-Rebellion geht.

© Tenzin Heatherbell
© Tenzin Heatherbell

Am Abend sammeln wir uns noch einmal vor der Bühne zu Musik und tanzen in die Nacht. Trotz vergleichsweise entschleunigtem Programm war die Herbst Rebellion eine ziemliche Mischung der Gefühle, vieler Eindrücke, starker Aktionen und toller Begegnungen. Danke für euren liebevollen Einsatz, Mut und Kreativität!

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